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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Die Stühle auf ihrer Seite standen leer, gegenüber befand sich ein einzelner Gast.
    »Sie haben eine halbe Stunde«, erklärte die Wächterin, nachdem sie Veronika zu dem Platz gegenüber gebracht hatte. Dann ging sie davon.
    Hinter der Panzerglasscheibe saß ein ihr völlig fremder Mann. Für einen kurzen Moment schlich sich ein überraschter Blick über seine Miene, dann lächelte er aber. Veronika setzte sich.
    Der Mann nickte ihr zu. Er griff nach dem Telefonhörer, der vor ihm auf dem Tisch lag. Als Veronika zögerte, zuckte er fragend mit den Schultern. Seine Lippen formten die Worte
Was ist?
    Ja, was ist eigentlich? Bin ich schon so misstrauisch, dass ich einem Fremden hinter einer Panzerglasscheibe nicht mehr traue? Mein einziger Besuch seit Wochen?
Die Journalisten zählte sie nicht dazu, das Gespräch mit ihnen glich mehr einem Polizeiverhör als einer normalen Unterhaltung. Seufzend griff sie nach dem Hörer.
    »Frau Wagner, guten Tag!«
    »Hallo.«
    »Ich muss zugeben, bei all dem, was ich in der letzten Zeit über Sie gelesen habe, hätte ich mir Sie anders vorgestellt!«
    »Wie?«, erwiderte sie. »Zwei Köpfe größer, mit rot leuchtenden Augen und Reißzähnen vielleicht?« Ihre bissige Reaktion überraschte sie selbst.
    »Hmm … vielleicht.«
    Der Mann war in mittlerem Alter, irgendwo um die vierzig herum. Seine braunen Haare waren seitlich gescheitelt, der Vollbart in seinem Gesicht war kurz und gepflegt. Seine Haut war braungebrannt, er trug einen blauen Anzug mit blau-grün gestreifter Krawatte und einem weißen Hemd darunter. Ein Geschäftsmann vielleicht, ein Journalist, oder ein … sie wagte es kaum zu denken … ein
Anwalt
? Auf dem Tisch vor ihm befand sich neben dem Telefon eine Wasserflasche mit einem Glas sowie ein etwas merkwürdiges
Ding
– ein etwa zehn Zentimeter hoher Ast, auf eine etwa bierfilzgroße Unterlage genagelt, von dem an der Spitze zahlreiche kleinere Ästchen abgingen … Ob sich darin ein Abhörgerät verbarg?
    »Wer sind Sie?«, fragte Veronika.
    »Mein Name ist Werner Lukas«, stellte er sich vor. »Lukas ist der Nachname.«
    »Ich habe Sie nicht gefragt, wie Sie heißen, sondern wer Sie sind.«
    Lukas irritierte Veronikas Schroffheit nur für einen kurzen Moment. »Die Frage geht so weit, dass wir dafür nun wirklich nicht genügend Zeit haben. Aber ich bin –«
    »Ich habe alle Zeit der Welt!«, fiel ihm Veronika ins Wort.
    »Nein,
ich
habe alle Zeit der Welt,
Sie
dagegen nur eine halbe Stunde. Ich weiß nicht, wann es mir wieder gelingt, ein Treffen mit Ihnen zu organisieren.«
    Sie zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Irgendwie war sie davon ausgegangen, dass der Mann etwas Unangenehmes von ihr wollte, vielleicht ein exklusives Interview. Dann hätte sie auf Zeit spielen können. Aber der Mann tat ganz so, als ob er
ihr
einen Gefallen tun würde.
    »Also gut, ich bin ganz Ohr«, sagte sie etwas zurückhaltender.
    Er nickte ihr zu. »Um auf Ihre Frage zurückzukommen … Sie können in mir eine Art Anwalt sehen, wenn Sie es so wollen. Eine Person, die Sie hier herausbringen kann.«
    Veronikas Augen weiteten sich. »Wie das?«
    »Das
Wie
ist auch eines dieser unendlich komplizierten Dinge. Gehen Sie der Einfachheit halber davon aus, dass es in unserer Macht steht. Wichtiger für Sie sollte eher das
Warum
sein – und vielleicht das
Wohin

    Veronika zuckte mit den Schultern. »Warum und wohin?«, fragte sie mit mühsam gespielter Langeweile.
    »Nun, ich habe in Erfahrung gebracht, dass Sie eine ganz außergewöhnliche Soldatin sind, Frau Wag –«
    »Waren«
, fuhr sie ihm ins Wort. »Ich bin unehrenhaft entlassen.«
    »Eine ganz außergewöhnliche Soldatin«, machte Lukas weiter, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Zwei Feldbeförderungen, beide Male wegen ›Hervorragender Führungsqualität und Übersicht bei Kampfhandlungen‹, Einsatz bei den Fallschirmspringern, obwohl Sie eine Frau sind. Dazu ein paar außergewöhnliche Leistungen in Ihrem letzten Einsatz …«
    »Wenn Sie es als eine besondere Leistung sehen, einem Mann den Kopf abzuschneiden.«
    »Das hängt ganz von dem Kopf ab, Frau Wagner! Ich bin mir sicher, dass es bei
diesem
Kopf nicht einfach war, ihn loszubekommen!«
    »Mir fehlen Vergleichswerte«, knurrte Veronika. Im nächsten Moment horchte sie jedoch plötzlich auf. Mühsam beschwor sie die sorgfältig verdrängten Erinnerungen an jene Nacht wieder hervor … War es nicht tatsächlich unnatürlich schwer gewesen, ihn zu

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