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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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war sein Erstgeborener. Baturix kannte ihn, so wie er keine Person auf der Welt je gekannt hatte. Er hatte ihn gehalten, kurz nachdem er geboren worden war, hatte ihn abgetrocknet und seiner Frau an die Brust gelegt, hatte seine Windeln gewechselt, ihn geschaukelt, ihm Geschichten erzählt. Er hatte seine ersten Schritte gesehen, seine ersten Worte gehört. Er hatte mit ihm gespielt, ihn unterrichtet, ihn ausgebildet. Die letzten sechzehn Jahre – fast die gesamte Zeit, die er nun in der Innenwelt lebte – war Markus da gewesen. Nun war er tot.
    »BATURIX!«, erklang hinter ihm ein wütender Ruf.
    Er zuckte zusammen. Es war Cintorix’ Stimme gewesen, offenbar hatte sein Herr bemerkt, dass er nicht mehr auf seinem Posten stand. Hastig drängelte er sich zurück durch die Ratsmitglieder.
    Cintorix warf ihm einen vernichtenden Blick zu, als er bei ihm war; dann wandte sich der Feldherr zurück zu den Häuptlingen, setzte das unterbrochene Gespräch fort.
    Mordlust flammte in Baturix auf. Wie
konnte
dieser aufgeblasene Bastard nur so kaltschnäuzig und kühl sein? Er hatte gerade einen
Sohn
verloren!
    Doch genauso schnell, wie die Wut gekommen war, verpuffte sie auch wieder. Cintorix war Cintorix, letzten Endes traf ihn keine Schuld an Markus’ Tod. Es brachte seinen Sohn nicht zurück, wenn er wütend auf seinen Herrn war.
    Wie konnte er es seiner Familie sagen? Würde es Alanna verkraften? Würde sie ihn hassen, weil er ihr die Nachricht von dem Unglück überbrachte? Und wie würden seine Kinder darauf reagieren? Würde es die Familie enger aneinander binden, oder würden sich mit der Zeit unüberwindbare Abgründe auftun?
    Seine Aufmerksamkeit war jedenfalls völlig dahin. Er versuchte, weiter darauf zu achten, was gesprochen wurde, doch es gelang ihm nicht mehr. In Gedanken war er bei seinem Sohn, bei seiner Familie und bei den ganzen anderen Menschen, die heute einen solchen Schicksalsschlag erlitten hatten.
Neuntausend Tote …
praktisch
jeder
musste Tote in der Verwandtschaft zu beklagen haben.
    Hinter sich hörte Baturix plötzlich Hufgetrappel, das schnell näher kam. Eine männliche Stimme rief: »Ich muss zu Kriegsherrn Cintorix! Lasst mich vorbei!«
    Die Gespräche verstummten. Alle Blicke wandten sich in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Ein Reiter tauchte aus dem Nebel auf, ein junger Mann, der sich, als er die Versammlung sah, hastig von seinem Pferd schwang. »Ich bin ein Kurier des Rates von Dachaigh na Làmhthuigh!«, rief er. »Ich habe eine Botschaft für den Kriegsherrn!«
    Der Bote war durchschnittlich groß, mit kurzen braunen Haaren. Zwei lange Strähnen an seinen Schläfen hatte er hinter den Ohren befestigt. Seine Kleidung war im Stile der Außenwelt geschnitten, was den Verdacht nahelegte, dass es sich bei dem Kurierum einen Druiden handelte, der durch die Außenwelt gereist war. Er und sein Pferd waren völlig verschwitzt.
    Vor ihm bildeten die Ratsdruiden eine Gasse zum Tisch der Häuptlinge. Das plötzliche Schweigen zollte der Dringlichkeit Respekt, die die Nachricht offenbar besaß. Cintorix stand auf. »Ihr seid?«, fragte er.
    »Banning MacDonald. Mit einer
dringenden
Nachricht für Euch.«
    »Und wo kommt Ihr nun her, Banning MacDonald?«
    »Mir wurde eine Pforte im Osten von hier beschrieben, Herr. Ein paar Eurer … Waldläufer haben sie bewacht und mir das Pferd gegeben.«
    Cintorix nickte nachdenklich. Schließlich meinte er: »Wir gehen in mein Zelt. Medredydd, Baturix … folgt mir bitte.«
    Baturix ließ den Waliser passieren, bevor er sich selbst anschloss. Ein unruhiges Gemurmel setzte hinter ihnen ein – teilweise besorgt ob der Nachricht, die ihnen der Kurier brachte, teilweise aber auch empört darüber, dass Cintorix den Waliserhäuptling mit sich nahm und die anderen Häuptlinge nicht. Baturix wunderte sich jedoch kaum über die Entscheidung seines Fürsten – er schien Medredydd inzwischen als seinen festen Stellvertreter bestimmt zu haben.
    Als sie das Zelt erreicht hatten, schämte sich Baturix über sich selbst. Er musste zugeben, dass er sehr gespannt darauf war, was der Kurier zu berichten hatte – was einem Verrat an seinem Sohn gleichkam! Wie konnte er jetzt bloß an etwas anderes denken als an seinen Markus …? Die drei Druiden setzten sich um den kleinen Tisch herum.
    »Was möchtet Ihr trinken, Herr?«, fragte Baturix den Kurier. »Ich kann Euch Wein, Met, Bier oder Wasser anbieten.«
    Der Mann fühlte sich sichtlich unwohl in Gegenwart der

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