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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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verwüstet hatten? Deutsche Soldaten?
    »Das ist auch der Grund, warum sie die Panzergrenadiere aus dem Kosovo abgezogen haben und nur noch zu Begleitschutzaufgaben einsetzen«, ergänzte Bauer.
    »Ich habe gehört, dass das 373. eigentlich noch gar nicht einsatzbereit war, als es letztes Jahr hierher verlegt wurde. War
das
etwa der Grund dafür?«
    Bauer brummte unwirsch. »Wahrscheinlich. Ja.«
    »Das ist ja ein Ding …« Ohne diese tollen Panzergrenadiere stünde das noch junge Fallschirmjägerbataillon 373 nun vielleicht noch immer in seiner friedlichen Kaserne in Brandenburg und würde bitter nötiges Training erhalten …
    Sie folgten einem recht engen Tal, das von steilen Felsenkämmen flankiert wurde, in Richtung Südosten. Auch hier war der Wald auf den Hügeln teilweise verbrannt und hatte hässliche schwarze Narben hinterlassen. Im Tal selbst reihten sich Felder aneinander. Die Straße folgte dem kurvigen Verlauf eines Flusses, aus dem erster Nebel aufstieg. Die Siedlungen reihten sich perlenschnurartig aneinander und machten keinen anderen Eindruck als die, durch die sie bisher gekommen war. Ihr fiel auf, dass sich unter den zerstörten Gebäuden verhältnismäßig viele Moscheen und Kirchen befanden. Der Kosovo-Konflikt war nicht nur ein ethnischer Konflikt, sondern auch ein religiöser.
    Als sie am Neubau eines Minaretts vorbeifuhren, murmelte Veronika: »Gehört wahrscheinlich viel Mut dazu, so etwas hier zu bauen …«
    »Die Gegend hier ist momentan recht friedlich. Die hoffen, dass das Schlimmste überstanden ist.«
    »Und was glauben Sie selbst, Bauer?«
    »Ich habe keine Ahnung, was ich glauben soll!«
    Veronika nickte. So in etwa hatte sie sich das vorgestellt. War nur zu hoffen, dass die Situation so lange stabil blieb, bis sie sich mit ihrem Zug arrangiert hatte. Als es dunkel wurde, spürte sie die Müdigkeit stärker werden. Dennoch zwang sie sich zu der Frage: »Was muss ich eigentlich über meinen Zug wissen?«
    Veronika bekam noch mit, dass Bauer etwas über kranke Soldaten erzählte, dann döste sie ein. Sie schlief nicht wirklich – das war in dem schwankenden, zugigen Jeep ebenso wenig möglich wie tagsüberin dem LKW –, sondern fiel in eine Art Dämmerungszustand. Sie träumte wirres Zeug, von ihrem Großvater, der wie sie Fallschirmjäger gewesen war, und von ihrem Bruder Thorsten, der seit vier Jahren nicht mehr lebte. Als sie wieder wach wurde, war ihre Hand so fest um das Amulett um ihren Hals gekrallt, dass es tiefe Druckstellen hinterließ. Es war ein Erinnerungsstück an sie beide.
    Schließlich erreichten sie Gnjilane.
    »Frau Leutnant, wir sind da!«, weckte sie Bauer.
    Erschöpft stemmte sie sich aus ihrem Sitz und folgte dem Feldwebel. Ihre Armbanduhr zeigte 23:16 Uhr. Der Wagen stand vor einem großen Mietsblock, den die Bundeswehr wohl zu ihrem Hauptquartier in Gnjilane umfunktioniert hatte. Scheinwerfer erhellten die Umgebung, und sie sah mehrere Soldaten vor dem Zaun patrouillieren.
    »Die Offiziere haben im dritten Stock ihre Quartiere, gleich unter den Unteroffizieren in den Stockwerken vier und fünf«, erzählte Bauer. »Die Mannschaften bewohnen die beiden anderen Gebäude. Wir haben eine kleine Lagerhalle für unseren Fuhrpark und die Ausrüstung.«
    »Könnten Sie mich gleich dem Hauptmann vorstellen?«
    »Hauptmann Hagen ist nach dreiundzwanzig Uhr nicht mehr zu sprechen. Er hat mir gesagt, dass es ausreicht, wenn Sie sich morgen bei ihm melden.«
    Inzwischen waren sie in einem dunklen Korridor angekommen. Bauer zeigte in den Gang. »Dort hinten sind Duschen und Toiletten. Leider gibt es um diese Tageszeit kein warmes Wasser mehr«, fügte er mit entschuldigender Miene hinzu. »Und das hier ist Ihr Zimmer.« Es war nicht mehr als eine Zelle, vielleicht drei mal drei Meter groß. Die Möbel – ein Feldbett, zwei metallene alte Bundeswehrspinde, zu denen die Schlüssel fehlten, und ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl – schienen noch aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges zu stammen. Ein rostiges Rohr, das aus der Wand ragte und blind endete, machte nur zu deutlich, dass Veronika hier nicht mit einer Heizung zu rechnen brauchte.
    Bauer deutete ihren Blick richtig: »Ich kann Ihnen noch ein paar Decken organisieren, wenn es Ihnen zu kalt ist!«
    Veronika versuchte, aus dem Kommentar eine abfällige Bemerkung herauszuhören, beschloss aber dann, dass Stabsfeldwebel Bauer vielleicht tatsächlich einfach nur hilfsbereit war. Sie nickte. »Sie sind ein Schatz, Bauer!«

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