Schattenkrieg
Klingen. Wenn ihr nicht genügend habt, um sie auszurüsten, sprecht mit Nerins Lagerverwalter, er wird euch die Ausrüstung mieten. Versucht, ihnen in den Monaten bis zum Feldzug noch etwas beizubringen.«
Mit diesen Worten schickte er sie davon. Langsameren Schrittes folgte er ihnen, wobei er nicht nur die eigenen, sondern auch die Reihen der anderen Druiden abschritt.
Selbstverständlich besaß die Armee keine einheitliche Ausrüstung, sondern ein Sammelsurium aus neuer Ausrüstung, aus Beutestücken vergangener Schlachten und Erbstücken vergangener Krieger. Er sah Helme aus Leder, Bronze oder Eisen, solche mit Gravierungen und solche ohne, mit keltischen und germanischen Musterungen, mit Wangenschutz und ohne. Das Gleiche galt für Arm- und Beinschienen, während bei den Rüstungen noch größere Unterschiede galten. Die Allerwenigsten konnten sich Platten- oder auch nur Kettenrüstungen leisten, die meisten mussten sich mit Wämsern aus genietetem oder ungenietetem Leder oder gar nur gestepptem Tuch begnügen. Viele der Waffen waren alltägliche Gerätschaften. Fischer brachten ihre Bootsmesser, mit denen sie im Notfall Seile kappen konnten, oder speerähnliche Dreizackefür die gelegentliche Jagd auf Robben oder Zwergwale. Bauern besaßen Flegel, mit denen sie normalerweise Korn schlugen, und Sensen. Das Schwert, Königin des Schlachtfelds, war nicht besonders oft zu sehen, und nur die angesehenen Hauptmänner und manche Druiden trugen zwei Schwerter.
Erst als er sich über den Gesamtzustand des Aufgebots ein Bild gemacht hatte, ging er zu den eigenen Männern, die ihm direkt aufs Schlachtfeld folgen und Seite an Seite mit ihm im Schildwall stehen würden. Fagan, sein Bannerträger, war ihr Anführer und bereits damit beschäftigt, die Krieger zu kontrollieren. Ronan begann von der anderen Seite, überprüfte Waffen und Rüstungen seiner Männer und wechselte ein paar Worte mit ihnen. Die Jüngeren, die Trollstigen und Jostedalsbreen nicht miterlebt hatten, wirkten gelassen oder sogar erfreut auf ihn. Doch in den Mienen der Älteren spiegelten sich Ronans eigene Gefühle: Trauer wegen der Erinnerungen, die die Heerschau und das Trollstigenlied mit sich brachte … Sorge darüber, was die Zukunft wohl bringen mochte … und natürlich
Angst
. Kaum ein Veteran Trollstigens konnte daran zurückdenken, ohne die panische Angst zu verspüren, die die letzten Stunden des Gefechts beherrscht hatte, als die Schatten über den Mauern waren und einen Turm nach dem anderen gestürmt hatten …
Er traf auch auf Brevalaer, einer von Nerins Söhnen und der Einzige, der im Unterdorf lebte. Seine Rüstung und Waffen waren tadellos – es waren die seines Vaters, der sie bei den Bogenschützen vermutlich nicht brauchen würde. Nur die Klinge war eine andere – Nerin verband wohl zu viele Erinnerungen mit seinem Druidenschwert
Flamme,
um es aus der Hand zu geben.
»Diesen Panzer hat noch nie ein Pfeil durchbohrt«, sagte Ronan, um die Gedanken zu verdrängen, die der Anblick der einst vertrauten Rüstung weckte.
»Dann hoffe ich, dass es so bleibt, Herr«, erwiderte Brevalaer.
»Du willst nicht unter das Kommando deines Vaters?« Bei den Bogenschützen würde er es sicherer haben …
»Nein, Herr. Ich bin ein Fischer, und ich werde an der Seite meiner Freunde kämpfen. Außerdem wird es Vater freuen, wenn seine alte Rüstung wieder einen Kampf sieht.«
Ob es ihn auch freuen wird, dich zu Grabe zu tragen, wenn es hart auf hart kommt?
fragte sich Ronan, doch er hielt den Mund. Stattdessen sagte er: »Dann freue ich mich, dich bei uns zu haben.«
Schließlich hatte er genug gesehen und gesellte sich zu Häuptling Nerin, der die Vorgänge vom Rande des Feldes aus beobachtete. Seine Hauptmänner würden ihm später am Abend beim gemeinsamen Mahl in seiner Halle berichten, wie es um seine Krieger stand.
»Wenn du zur nächsten Ratsversammlung in Dùn Robert bist, wirst du einkaufen müssen«, meinte Nerin. »Das Magazin auf Trollstigen ist nicht groß genug, um diese Armee auszurüsten. Reise zwei Tage früher an, so dass du die Einkäufe tätigen kannst, bevor die Stadt von der Nain-Bedrohung erfährt. Die Preise werden danach ins Unermessliche steigen.« Der alte Mann hielt kurz inne, bevor er weitersprach. »Wann ist eigentlich die nächste Versammlung?«
»In anderthalb Wochen.«
»Dann habe ich vorher noch einen Auftrag für dich.«
»Ja, Herr.« Ronan verbeugte sich kurz. »Was soll ich tun?«
»Wen, glaubst du,
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