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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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»sagen Sie mir bitte, wo ich das Zimmer des Herrn Feldwebels Ulrich finde!« Seine plötzliche Hilfsbereitschaft hatte sie misstrauisch gemacht.
    »Ja, natürlich, Frau Leutnant.« Ihr förmlicher Ton hatte ihm deutlich gemacht, dass es sich nicht mehr nur um eine Bitte handelte, sondern um einen Befehl, und dass er mit Ausflüchten nichts mehr erreichen würde. »Vierter Stock, nach links, dritte Tür auf der rechten Seite.«
    »Danke. Ich will Sie nicht länger aufhalten.«
    Damit ließ sie ihn stehen. Im Treppenhaus begegnete sie erneut dem Offizier von vorhin, der sich inzwischen rasiert und gewaschen hatte. Laut dem Rangabzeichen auf seiner Schulterklappe war er wie sie Leutnant. Sie stellten sich kurz vor und wechselten ein paar vorsichtige Worte, dann ging sie weiter. Leutnant Fuchs blieb auf der Treppe zurück. Seine Miene verriet ihr, dass er mindestens ebenso verstört über die neue Kollegin war wie Schilling. Ein bisschen freute sie sich schon auf das dumme Gesicht, das ihr Zugfeldwebel machen würde.
    Es dauerte nicht besonders lange, bis Ulrich die Tür öffnete. Ein kahlgeschorener Kopf mit schlechter Rasur und kleinen müden Augen tauchte im Türspalt auf. Als er sie sah, erkannte sie an seinem Gesicht, wie er aus allen Wolken fiel.
    Durch den geöffneten Türspalt drang ein Schwall übel stinkender Luft aus dem Zimmer, ein Geruch nach Schweiß, Fisch und Sperma, der ihr mehr darüber sagte, womit ihr Feldwebel dieNacht verbracht hatte, als sie eigentlich wissen wollte. Ohne ihm groß Zeit zu geben, sich zu äußern, fragte sie: »Soldatin oder Einheimische?«
    Für einen Moment sah es so aus, als ob es Ulrich abstreiten wollte; er entschied sich jedoch anders und meinte: »Einheimische.«
    »Da ich nicht davon ausgehe, dass sie Ihre Ehefrau oder Lebensgefährtin ist, schaffen Sie sie schleunigst aus dem Stützpunkt! Und lassen Sie die Männer zum Appell antreten.«
    »Jawohl.«
    »Jawohl was?«
    »Jawohl, Frau Leutnant!«
    Dann stapfte sie davon. Sie war erstaunt über die Frechheit des Feldwebels. Er hatte gewusst, dass ein neuer Offizier erwartet wurde, und es nicht einmal für nötig befunden, eine Nacht lang auf ein Mädchen zu verzichten oder einigermaßen pünktlich aufzustehen …
    Was für ein Arschloch!
    Als Nächstes fragte sie sich zur Materialausgabe durch. Überraschenderweise war der Materialwart – ein Unteroffizier namens Schleifer – nicht nur wach, sondern sogar schon dienstfertig. Nachdem der Mann gegrüßt und sie sich vorgestellt hatte, fragte er, was sie von ihm brauchte.
    »Die Kompanieabzeichen für meine Uniformen und ein G36.« Sie war gespannt, wie er darauf reagieren würde. Eigentlich hätte sie das ihr zugewiesene Gewehr von ihrer alten Einheit mitbringen müssen, doch das war nach ihrem letzten Einsatz ausrangiert worden. Ein guter Lagerist würde nach einer Anforderung verlangen, bevor er eine Waffe ausgab. Ein schlechter würde ihr das Gewehr herausrücken, weil sie ein Offizier war. Ein ganz schlechter würde Geld von ihr erwarten.
    »Ich brauche eine Anforderung, entweder von Ihrer alten Einheit oder vom Kompaniechef. Haben Sie denn eine?«, fragte Schleifer und gab ihr den Glauben an männliche Zuverlässigkeit zumindest teilweise wieder zurück.
    »Natürlich.« Sie zog das Formular aus ihrer Brusttasche.
    »Zeigen Sie her … ja, das ist in Ordnung, es gibt nur ein Problem: Wir haben keine 36er mehr auf Lager. Möchten Sie ein G3?«
    Veronikas Miene verfinsterte sich. »Mir hat man gesagt, dass es hier unten so viele Ausfälle gibt, dass Sie bestimmt welche vorrätig haben!«
    »Es tut mir leid, Frau Leutnant! Aber ich habe wirklich nur noch G3s, Sie können gerne einen Blick in mein Magazin werfen!«
    Missmutig schüttelte Veronika den Kopf. »Nicht nötig, ich glaube Ihnen. Dann eben ein G3.«
    »Mit Klappstütze?«
    »Wie Sie das nur ahnen konnten!«, antwortete sie sarkastisch. Die Ausführung mit Klappstütze war beinahe ein Kilo leichter als die Variante mit fester Schulterstütze aus Holz. Veronika war bisher
immer
gefragt worden, ob sie ein G3 mit Klappstütze wollte. Woran
das
nur liegen konnte?
    Die Waffe, die Schleifer ihr aushändigte, befand sich in tadellosem Zustand, aber es war eben nur ein G3. Das G36 war leichter, hatte einen geringeren Rückstoß und ein hochmodernes Visier. Zudem neigte es nicht so schnell zu Ladehemmungen. Aber entweder hatten die anderen Zugführer die freien G36er für ihre Züge eingezogen oder Schleifer verschob

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