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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Während der Einsätze hatte sie zu jeder Zeit gewusst, auf welcher Position jeder einzelne Mann war, selbst wenn ganze Häuserzüge zwischen ihnen lagen. Sie hatte die Gefahr gespürt, bevor der erste Schuss auf ihre Gruppe abgegeben worden war. Nur so war es ihr gelungen, in den Straßenkämpfen keinen Mann zu verlieren, trotz Chaos und Hinterhalten. Ihr Instinkt war ihre einzige Stärke. Doch dafür brauchte sie Zeit, Zeit für Drills und Gefechtsübungen und Unterricht.
    Doch es schien ganz so, als ob sie diese Zeit nicht zur Verfügung hatte.
    Es klopfte an der Tür. Sie warf einen kurzen Blick auf die Uhr – es war exakt 09:05 Uhr – fünf Minuten später als angeordnet. Hatte der Aufstand schon begonnen?
    »Herein mit Ihnen!«, rief sie.
    Angeführt von Feldwebel Ulrich, betraten die Männer den Raum und produzierten gemeinsam ihr Männchen. Nachdem sie den Gruß erwidert hatte, befahl sie: »Setzen Sie sich!« Nachdenklich blickte sie in die Runde.
    Die fünf hatten sich seit dem Appell einigermaßen hergerichtet. Alle waren rasiert und sahen frischer aus als vorher. Mit viel Stühlerücken setzten sie sich.
    Feldwebel Ulrich blickte gelangweilt ins Nichts. Er war ungefähr vierzig und durchschnittlich groß, hatte ein kantiges Gesicht und war sportlich gebaut. Mit seinem rasierten Schädel wirkte er wie ein Rechtsradikaler.
    Neben ihm saß Unteroffizier Bender von der dritten Gruppe. Er war ein vielleicht dreißig Jahre alter Mann mit schlankem Gesicht und gescheitelten, welligen braunen Haaren. Er gehörte zu der Klasse Mann, die eine Mutter sofort in die Kategorie Schwiegersohn einordnete, und war somit Ulrichs krasses Gegenteil. Er lächelte, sah Veronika aber nicht direkt an.
    Bender gegenüber saß Hauptgefreiter Kollborn, ein dürrer,hochaufgeschossener junger Kerl in ihrem Alter. Er hatte, wahrscheinlich Ulrich als Vorbild, ebenfalls einen kahlrasierten Schädel und litt wie Veronika selbst an zu vielen Sommersprossen. Er hatte seine Hände vor sich auf dem Tisch verschränkt, wodurch die Tätowierungen auf seinen Handrücken deutlich zum Vorschein kamen – germanische Runen.
Noch ein Neonazi …
Auch Kollborn wich ihrem Blick aus. Sie beschloss, ihn bei nächster Gelegenheit zu ersetzen – zum einen wirkte Kollborn zu schüchtern, um eine Gruppe anzuführen, zum anderen hielt sie nichts von Faschisten in Führungspositionen.
    Der vierte Mann war Unteroffizier Tönnes, ein durchschnittlich großer, bulliger Typ von wohl ebenfalls dreißig Jahren, dessen Nase mindestens einen Schlag zuviel abgekriegt hatte. Veronika ordnete ihn vorerst in die Kategorie Schlägertype ein, möglicherweise ebenfalls politisch rechts. Er war der Einzige, der sie während ihres Rundblickes ansah.
    Sie seufzte stumm. Von den vier Männern waren bis zu drei rechtsradikal. Das war das alte Problem der Fallschirmjäger: Der Korpsgeist und der Elitegedanke der Truppe zogen solche Typen geradezu magisch an. Natürlich machten Sprüche wie
Wie Pech und Schwefel,
der noch aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges stammte, die Situation nicht besser – aber zuerst eines nach dem anderen. Zuerst musste sie sich das Vertrauen dieser Männer erwerben, bevor sie ihre politische Einstellung angehen konnte.
    Bis dahin war jedoch noch ein weiter Weg – drei der Männer waren älter als sie, laut den Akten auch schon länger bei der Bundeswehr. Und nun sollten sie Befehle von einer jungen Göre entgegennehmen, die noch nicht einmal trocken hinter den Ohren war? Natürlich konnte sie ihnen erzählen, wie es zu ihren Feldbeförderungen gekommen war, aber sie glaubte kaum, dass die Männer ihr die Geschichte abkaufen würden. Deshalb beschloss sie, diesen Umstand zu ignorieren.
    »Wie kommt es, dass der Zug in einem so desolaten Zustand ist?«, fragte sie ohne Einleitung in die Runde.
    Eisiges Schweigen. Keiner der Männer wollte sich wohl angesprochen fühlen, also half sie nach.
    »Ulrich, Sie hatten die letzten Wochen das Kommando über den Zug. Was haben Sie dazu zu sagen?«
    Er zuckte nur mit der Schulter, ohne sie anzusehen.
    Ihre Hand schnellte hoch. Mit einem scharfen Knall warf die Ohrfeige Ulrichs Kopf etwas zur Seite. Wütend sprang er auf, um eine Millisekunde schneller als Veronika, doch als sein Stuhl polternd umkippte, hatte er sich bereits wieder unter Kontrolle. Seine Haltung war wie festgefroren, nur seine Augen blitzten zornig. Die anderen Männer starrten sie beide erschrocken an.
    »Ich werde das melden!«, drohte

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