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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Wenn dir ein Kleid oder ein Großkilt lieber sein sollte …«
    Schnell schüttelte Keelin den Kopf. Sie mochte keine Kleider, und vom Großkilt wusste sie nicht, wie man ihn anlegte. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass sie abgelegte Männerkleidung trug. Die Hose besaß einen Gürtel, also würde sie nicht rutschen, und alles andere waren Details. Details, um die sie sich später kümmern konnte. »Vielen Dank!«, flüsterte sie und begann, ihre abgelegten Sachen zusammenlegen.
    Gwyneth hielt sie davon ab. »Das brauchst du nicht. Diese Kleider existieren nur in deinem Traum und werden verschwinden, sobald du aufgewacht bist. Jetzt beeile dich, wir dürfen die Druiden nicht warten lassen!« Gwyneth drückte ihr die Fackel in die Hand. Die beiden Frauen verabschiedeten sich von ihr, und Keelin trat zurück in den großen Raum.
     
    Inzwischen hatten sich auch die anderen Druiden umgezogen und waren nun in weiße Roben aus fein gesponnenem Leinen gehüllt. Sie hatten Fackeln entzündet, einige von ihnen hatten sich Rucksäcke oder Taschen umgehängt. Eine der Druidinnen reichte auch ihr eine solche Robe, die sie sich über den Rest ihrer Kleidung zog.
    Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Die kleine Prozession folgte demselben Pfad, den Keelin damals mit Robb und Malcolm gelaufen war. Doch dieses Mal war vieles anders. Nun verstand sie zwar nicht alles, was mit ihr und um sie herum vorging,aber zumindest einen Teil davon. Sie war keine Gefangene mehr, sondern aus freien Stücken hier.
    Sie wanderten ungefähr eine Stunde durch den nächtlichen Kiefernwald. Etwas Wind rauschte in den Bäumen, fernab riefen noch immer die Eulen. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt und raute die Oberfläche des Sees auf, so dass das Mondlicht darauf silbrig flackerte. Der Friede und die Natürlichkeit wurden nur vom keuchenden Atem Trevors gestört, der mit dem Anstieg zum Sattel zwischen Mam Sodhail und Càrn Eige größte Schwierigkeiten hatte.
    Keelin lief etwas abseits. Zu aufgewühlt waren ihre Gedanken, zu neu alles, was mit ihr geschah. Abgesehen davon juckten ihre neuen Kleider tatsächlich wie wild, und so bekamen die anderen es nicht gar so mit, wie sie sich kratzte, als wenn sie mitten unter ihnen ging.
    Schließlich erreichten sie den Ort, von dem Keelin in ihrem letzten Traum die Trommeln und Gesänge gehört hatte. Hinter mehreren Felsen vor neugierigen Blicken aus dem Tal geschützt, erhob sich dort eine mächtige Eiche, deren Krone sie in ihrem letzten Traum schon gesehen hatte. Wie sie dort wachsen konnte, war ihr schleierhaft, schließlich hatten sie die Baumgrenze schon längst hinter sich gelassen. Die Eiche gedieh jedoch äußerst prächtig. Ihr Stamm war dicker als einen Meter und vom Wind stark geneigt, und dennoch wuchs sie mindestens zwanzig Meter in die Höhe. Ihr Geäst war knorrig und krumm und von Mistelbüscheln befallen, die in dem winterlich kahlen Baum deutlich zu erkennen waren. Vor dem Baum befand sich ein etwa hüfthoher Felsblock, offenbar von menschlicher Hand zurechtgehauen und mit keltischen Bändermustern verziert.
    Die Druiden, die Taschen bei sich trugen, gingen zu dem Stein und packten mehrere in groben Hanfstoff gewickelte Päckchen darauf, bevor sie sich gemessenen Schrittes zurück zu den anderen gesellten. Trevor der Zauberer, dessen humpelnder Gang die Prozession aufgehalten hatte, trat schließlich an den Stein und begann, die Päckchen auszupacken.
    Selma, die Landhüterin, gesellte sich währenddessen zu Keelin. »Dieser Baum heißt Càrn Crann Daraich in unserer Sprache, die Gipfel-Eiche. Sie ist ein heiliger Baum. Es gibt viele andere heilige Bäume, doch dieser hier ist der heiligste Baum Schottlands. Niemand weiß, wer seine Eichel hierhergebracht hat, genauso wenig wie man weiß, warum er hier gedeihen kann. In ihm wohnt ein mächtiger Geist, der Geist des Adlers, den wir im Glen Affric als heiliges Tier verehren.« Sie machte eine ausholende Geste. »Der große Geist des Adlers lenkt die Geschicke dieses Tals.«
    »Kann Trevor wirklich mit … mit
Geistern
sprechen?«, flüsterte Keelin.
    »Ja. Als Zauberer ist er der mächtigste Druide im Glen. Er beherrscht viele Rituale und Zaubersprüche, und er ist wie kein anderer in der Lage, den Strom der Magie anzuzapfen und umzuleiten. Angus könnte ohne ihn keine Druidenschwerter schmieden, und auch ich bin auf ihn angewiesen. Als Hüterin des Landes kenne ich die Rituale für die Schutzzauber, aber ohne seine Hilfe

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