Schattenkrieger: Roman (German Edition)
Garantie, dass er jemals wieder aufstehen würde.
Als sie endlich das Dorf erreichten, waren seine Beine nachgiebig wie Wasser, und er zitterte wie ein Blatt im Wind. Niemand zeigte sich. Glücklicherweise war das klapprige alte Tor nicht verschlossen. Sasha runzelte die Stirn.
»Das ist seltsam«, erklärte sie. »Die Einwohner achten offenbar kaum auf ihre Sicherheit. Hier steht nicht einmal ein Wächter.«
Jerek spuckte aus. »Das wundert mich nicht. Ein bisschen Regen, und ihr Tiefländer verkriecht euch in die Löcher wie die Würmer.«
»Da drüben am Bauernhof brennt Licht«, sagte Isaac.
Kayne blinzelte, konnte aber nichts außer einem verschwommenen gelben Fleck erkennen. »Dann sollten wir hingehen und nachsehen«, quetschte er hervor.
Neben dem Bauernhaus stand eine Scheune. Das Tor war weit geöffnet, drinnen steckten zwei Fackeln in Wandhaltern. Es roch nach Mist, aber Tiere waren nirgends zu entdecken. Der alte Barbar wollte nichts weiter, als sich ohne Rücksicht auf etwaige Kuhfladen in einem leeren Abteil auf einen Strohhaufen werfen.
»Kayne, warte lieber hier, bis …«, setzte Jerek an. Ein herzzerreißendes Jammern unterbrach ihn. Es kam aus einem Abteil hinten in der Scheune, das vom Licht der Fackeln nicht erreicht wurde.
Der Wolf zog eine Streitaxt aus dem Geschirr. »Wartet hier«, flüsterte er, nahm ohne weitere Umschweife eine Fackel aus dem Wandhalter und näherte sich der dunklen Ecke. Sobald er sie überblicken konnte, starrte er eine Weile an, was sich dort befand, und spuckte schließlich aus. »Wenn das mal nicht ein hübscher Anblick ist.«
Brodar Kayne stolperte hinterdrein, um sich anzusehen, was sein Freund entdeckt hatte. Gleich darauf wünschte er sich, er hätte darauf verzichtet.
Mitten im Abteil lag eine Kuh auf der Seite, die rosafarbene Zunge hing aus dem Maul. Die Augen waren weit aufgerissen und starrten wild das Dach an. Aus dem Hinterteil ragten lange Darmschlingen bis auf das blutrote Stroh und glitzerten feucht im Fackelschein. Jemand oder etwas hatte dem Tier ins Hinterteil gegriffen und die Hälfte der Innereien durch den After herausgerissen.
Er hörte Sasha hinter sich würgen. »Die Einwohner sind wirklich komische Leute, keine Frage«, sagte er. Dann bemerkte er, dass jemand fehlte. »Wo ist Isaac?«
»Hier«, ließ sich der Diener von draußen vernehmen. Im Prasseln des Regens war er kaum zu verstehen. »Kein Mensch lässt sich blicken. Ich glaube, dieser Ort ist verlassen.«
»Unfug.« Jerek hob die Axt und spaltete der Kuh den Schädel. Das Tier zuckte noch einmal und blieb still liegen.
Sasha wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Sie war kreidebleich. »Die Einwohner können doch nicht alle weg sein. Wohin sollten sie gehen? Und warum?«
»Vielleicht verstecken sie sich vor uns«, meinte Isaac.
»Kann sein. Vielleicht verstecken sie sich auch vor etwas anderem«, murmelte Kayne. Er starrte die verstümmelte Kuh an. Das hat kein Mensch getan. Mit diesem Dorf stimmt was nicht.
Die Wärme der Fackeln und die trockene Scheune hatten sein Fieber ein wenig gedämpft. Vorsichtig befühlte er seinen Magen und drückte auf die Wunde. Sofort grunzte er vor Schmerzen. Auf der linken Seite war die Wunde aufgeplatzt, und blutiger Eiter drang heraus.
»Bäh«, machte er.
Sasha eilte herbei und untersuchte ihn. Sie schüttelte den Kopf. »Die Wunde ist infiziert. Du stirbst, wenn das nicht behandelt wird.«
Jerek verzog verdrossen das Gesicht. »Dann stellen wir das Dorf auf den Kopf. Wenn ein Einwohner ein Problem damit hat, dann kann er mich mal.«
Brodar Kayne legte seufzend das schmutzige Tuch auf die schwärende Wunde. Wieder hinaus in den Regen. Schon wieder.
Und als sei das nicht genug, musste er dringend pissen.
»Leer.«
In dem bescheidenen Haus war es dunkel, das Feuer im kleinen Herd schon vor langer Zeit heruntergebrannt. Auf dem Boden lagen Kleidungsstücke verstreut, ein Stuhl war neben einem Tisch umgekippt, auf dem eine halb gegessene Mahlzeit stand. Dicke schwarze Fliegen summten über dem Tisch und krochen auf einem großen verschimmelten Schinken herum.
»Die hatten nicht mal Zeit, die Tür abzuschließen.« Sasha war sichtlich beunruhigt.
»Ich nehme an, hier drin ist auch nichts zu holen.« Kayne drehte sich um und ging wieder hinaus. Sie hatten bereits ein halbes Dutzend Hütten durchsucht und alle verlassen vorgefunden. In der Nähe kamen Jerek und Isaac aus einem anderen Gebäude. Mit einem ärgerlichen
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