Schattenkrieger: Roman (German Edition)
herum. »Halt dich da raus, Kayne.«
»Das kann ich nicht.«
Sein alter Freund sah ihn finster an. Das Blut rann von der Schulter, in der noch der Bolzen steckte, den Arm hinunter, doch er schien es kaum zu bemerken. »Willst du mich wirklich aufhalten?«
Kayne zuckte mit den Achseln. »Ich denke schon.«
Der Wolf kicherte. Es war ein schrecklicher, knirschender und völlig humorloser Laut. »Dann willst du wieder den Helden spielen.«
»Ich bin kein Held und habe nie behauptet, einer zu sein. Ich bin ein alter Mann, der versucht, in der wenigen Zeit, die ihm noch bleibt, das Richtige zu tun. Ich lasse nicht zu, dass du das Mädchen angreifst.«
»Du bist halb tot, Kayne.«
»Und du hast nur einen unverletzten Arm. Das wird kein Zweikampf, über den noch viele Generationen reden werden.«
Jerek schnaubte. »Nein, mit den alten Sagen der großen Hochländer können wir uns nicht messen. Für diesen Mist sind wir wohl beide zu alt.«
»Genau.« Die Schwertspitze wackelte hin und her, weil ihm beide Arme zitterten.
Brodar Kayne wusste nicht mehr, wie viele Männer er im Laufe der Jahre getötet hatte. Junge und alte, gute Männer und böse Männer – wenn es nach ihm ging, vor allem Letztere, aber der Schamane war ein eigenwilliger Herrscher, und es lag nicht bei seinem Kämpfer, zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden. Er war das Schwert des Nordens gewesen, ein Mann, den man gleichermaßen gefürchtet und geachtet hatte.
Längst vergangen die Zeiten, in denen er auf irgendetwas hatte stolz sein können, aber die Welt war nun einmal, wie sie war. Er hatte noch nie einen Kampf verloren, auch wenn andere einen Ruf besessen hatten, der dem seinen gleichkam: sein Schwertbruder Borun etwa, oder auch Mehmon, hart wie das Eis, das seine Gemarkung bedeckte, ehe er alt und lahm geworden war. Der Schlächter von Beregund suchte angeblich seinesgleichen auf dem Schlachtfeld, und wenn es einen Hochländer gab, gegen den Kayne gern den Stahl erhoben hätte, dann war es dieser Mörder und Vergewaltiger.
Sie alle waren harte Männer, aber er hätte keinem von ihnen gegen den, in dessen Augen er gerade starrte, große Hoffnung auf einen Sieg machen können. Jerek war so erbarmungslos wie der Schnitter selbst und der härteste und brutalste Kämpfer, den Kayne je gesehen hatte.
Er holte tief Luft, keuchte, als sein Magen schmerzvoll protestierte, und bereitete sich innerlich auf den Kampf vor, der sicherlich sein letzter werden würde. Der Schwertgriff lag glitschig in seinen fiebrigen Händen.
Jerek kniff die Augen zusammen. »Leck mich doch.« Er ließ die Axt sinken und wandte sich an Sasha, die sich gerade wieder aufrappelte. Auf der linken Wange prangte ein flammend roter Abdruck. »Wir zwei sind noch nicht fertig miteinander. Geh mir aus dem Weg.« Damit stürmte er in die Dunkelheit davon.
Müde atmete Kayne aus und ließ das Schwert sinken. Das ist doch im Grunde gar nicht so schlecht gelaufen.
Sie gingen zu Isaac hinüber. Der Diener war offenbar unverletzt. Es war ihm gelungen, dem Wiedergänger, der ihn angegriffen hatte, den Kopf abzuhacken, und nun sah er sich vorsichtshalber um, ob in der Nähe noch weitere Kreaturen lauerten. »Ich glaube, ich habe mal etwas über diese Erscheinungen gelesen«, sagte er. »Manchmal, wenn genügend wilde Magie vorhanden ist, kommen die Seelen aus dem Totenreich herüber und kehren in die früheren Körper zurück.«
Kayne betrachtete den geköpften Toten vor Isaacs Füßen. »Äh, wie es scheint, sind sie wohl nicht sehr dankbar dafür, dass sie noch ein Weilchen leben dürfen.«
Es blitzte erneut, und der Diener fuhr erschrocken auf. Dann lächelte er verlegen. »Diese Geister sind voller Hass und Zorn. Ihr Tod war nicht gnädig.«
»Anscheinend weißt du eine Menge darüber.«
»Ich lese viele Bücher. Das ist einer der Vorteile, wenn man im Archiv arbeitet.«
»Ich hab im ganzen Leben noch kein Buch gelesen.«
»Aber du hast schon einmal gegen solche Kreaturen gekämpft, oder?«
»Ganz recht. Gegen diese und noch schlimmere Ungeheuer. Die Wiedergänger sind nicht das Schlimmste, was die Hohen Klippen heimsucht. Die Dämonen, die vom Teufelsgrat herunterkommen, sind so zäh wie die meisten anderen Abscheulichkeiten, aber erheblich klüger. Außerdem tauchen seit einigen Jahren immer mehr von ihnen auf.«
»Dämonen sind in dieser Gegend hier kaum mehr als ein Kindermärchen.«
Kayne zuckte mit den Achseln. »Die Hexen behaupten, oben auf dem Teufelsgrat
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