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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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aufgetaucht. Zwar hatte er die Brüder erschaffen, um ihre Freiheit zu sichern und sie vor der Versklavung durch die anderen tyrannischen Magierfürsten zu schützen, doch er hatte das Gesetz geändert.
    Der Schamane hatte entschieden, Stärke sei die einzig wahre Tugend. Der Schwache müsse es eben hinnehmen, dass der Starke ihm seinen Willen aufzwinge. Der Schwache verdiene weder Mitgefühl noch Gnade, denn er sei im Grunde nichts anderes als das, was der Hirsch für den Jäger darstellt. Der Schwache müsse eben stark werden oder untergehen. Das sei die natürliche Ordnung der Dinge.
    Yllandris war stark. Sie hatte sich geweigert, Schwäche zu zeigen. Die heimtückischen Fesseln einer entbehrungsreichen Kindheit hatte sie gesprengt und sich zu wahrer Größe aufgeschwungen. War sie nicht der lebende Beweis für die Weisheit des Schamanen? Sie lächelte in sich hinein. Eines Tages werde ich dem Schamanen die endgültige Lektion erteilen. Die letzte, die er jemals lernen wird. Ich frage mich, ob er die Ironie versteht.
    Ihre Kraft kehrte zurück, nach den Anstrengungen erholte sie sich allmählich wieder. Blaue Flammen züngelten auf ihren Händen, als sie sich der Hütte näherte. Sollten Shranree und die anderen aus der Ferne den Tod über die Einwohner bringen. Yllandris wollte ihre tödliche Botschaft persönlich übermitteln.
    Sie sprengte die Tür mit so großer Kraft auf, dass das Holz aus dem Rahmen flog. Dann betrat sie die Hütte und suchte mit glühenden Fäusten ihr Ziel.
    Als sie die verschreckten Augen sah, die ihr entgegenblickten, ließ sie die Hände sinken. Es waren drei, zwei Mädchen und ein Junge, und keines der Kinder war älter als acht Winter.
    Die Mutter lag neben dem Herd. Die Frau bemerkte zwar, dass Yllandris vor ihr stand, war aber zu schwach, um auch nur den Kopf zu heben. Die ganze Familie war fast verhungert. Die Kinder wichen vor Yllandris zurück und scharten sich um die sterbende Mutter, als könnte die sie beschützen.
    Der Junge wagte nicht einmal, sie anzuschauen.
    Die endgültige Lektion …
    Yllandris zitterte am ganzen Körper. Sie drehte sich um und stolperte aus der Hütte hinaus. Gegenüber kam ein Krieger mit blutigem Schwert und breitem, zahnlückigem Grinsen aus einem anderen Haus.
    »Sind da noch ein paar drin?«, fragte er. »Die erledige ich.« Er nickte höflich und wollte sich an ihr vorbei in die Hütte schieben.
    Ihr Kraftstoß warf ihn fünfzehn Schritte weit durch die Luft, bis er gegen die Stadtmauer krachte. Seine Knochen brachen, leblos rutschte er zu Boden.
    Yllandris zog den Mantel eng um sich und rannte los, ohne sich wirklich bewusst in Bewegung gesetzt zu haben. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht und froren auf den Wangen fest. Sie erreichte das Tor, lief mit eingezogenem Kopf nach draußen und sank in den Schnee, von stummem Schluchzen geschüttelt, während in der Stadt das Blut floss und das Feuer alles Leben auslöschte.
    Auf einmal bemerkte sie weit über sich eine Bewegung und blickte mit feuchten Augen hinauf. Ein großer Schatten, der gewiss kein Mensch war, zog vorbei. Er kreiste einmal, bewegte sich mit erschreckender Geschwindigkeit und verschwand in östlicher Richtung.
    Sie schauderte heftig, und es lag nicht nur an der schneidenden Kälte.

Mehr Eile als Geschwindigkeit

    Die Sonne stand im Zenit, als sich die kleine Gruppe endlich dem Grabmal näherte. Die mächtige Basaltsäule stand inmitten einiger Hügel und war aus mehreren Meilen Entfernung zu sehen, sobald eine Lücke in der Gebirgskette den Blick freigab.
    Im Westen, einen Tagesmarsch zu Pferd entfernt, lag Dorminia. Die Stadt selbst war zu weit weg, aber die dunkle Linie der Höllenfeuerberge konnte sogar Brodar Kayne mit seinen altersschwachen Augen noch erkennen. Kleine Dörfer und Orte lagen an der alten Straße, die von der Stadt bis zu dem Bergwerk direkt vor ihnen führte. Er und Jerek waren genau dieser Straße vor gerade mal einem Monat gefolgt. Der letzte Abschnitt ihrer weiten Reise war alles in allem recht angenehm verlaufen. Nicht zuletzt deshalb, weil niemand sie zu töten versucht hatte.
    Das konnte man über die Einöde, die zwei Tagesritte im Norden lag, nicht gerade sagen. Es war ein weites, gefährliches Land voller versteckter Einschnitte, heimgesucht von Räuberbanden, die im Osten häufig die Städte im Freiland überfielen – und wenn sie glaubten, nicht erwischt zu werden, auch die Siedlungen in dem kleinen Gebiet, das der Grauen Stadt die

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