Schattenkrieger: Roman (German Edition)
verwandelten sich in todbringende Feuersäulen. Die ganze nördliche Hälfte von Frostwehr glich nun einem Schmelzofen. Mit angehaltenem Atem beobachtete Yllandris das Zerstörungswerk.
Shranree klatschte fröhlich in die Hände und setzte ein selbstzufriedenes Lächeln auf. »Wundervoll«, sagte sie. »Schade nur, dass wir ein Mitglied des Zirkels aus der Seemark verloren haben. Aber wer achtlos ist, bringt sich eben in Gefahr.«
Yllandris starrte die unglückliche Hexe an, die auf dem Eis ausgerutscht war. Sie zuckte nicht mehr, sondern lag gekrümmt im Schnee wie ein kleines Kind. Tatsächlich war sie kaum mehr als ein Mädchen gewesen, zwei Jahre jünger als Yllandris. Glücklicherweise bemerkte keine der älteren Schwestern den hasserfüllten Blick, den sie Shranree in diesem Augenblick zuwarf.
»Wir sollten jetzt den Rest des Ortes ausräuchern …«, hub Shranree an, wurde jedoch von lauten Rufen unterbrochen. Eine Gruppe der Verteidiger war vor dem Gemetzel im Norden von Frostwehr geflohen und ging nun wütend auf sie los.
Auf einmal tauchten Tiergestalten aus dem Schatten auf, und die mordlustigen Schreie verwandelten sich in schrilles Kreischen, doch selbst das Eingreifen der Brüder konnte nicht verhindern, dass ein Teil der Meute die Hexen erreichte.
Ausgemergelte Männer und Frauen stürzten, zerfetzt von Magie. Einem Axtkämpfer gelang es, einer Hexe aus der Ostmark den Schädel zu spalten. Zwei weitere packten die alte Agatha und zerrten sie von den anderen Schwestern weg. Mit den Nagelkeulen schlugen sie die alte Hexe nieder, obwohl ihnen das magische Feuer das Fleisch von den Knochen fraß.
Irrsinn, dachte Yllandris. Sie sind vom Wahnsinn gepackt. Eine Frau ging mit einem großen Schlachtmesser auf sie los. Noch konnte die junge Hexe genügend Kraft aufbieten, um den Angriff abzuwehren, aber sie war erschöpft, und vor Anstrengung hätte sie beinahe einen Schrei ausgestoßen. Die Angreiferin ging zu Boden. Dann bemerkte sie eine verschwommene Bewegung, und plötzlich packte ein Schneeleopard den Kopf der Frau mit dem Maul.
»Rückzug«, schrie Shranree und entfernte sich ein Stück. Die meisten Krieger der Gemarkungen hatten sie inzwischen eingeholt und griffen frontal die verzweifelten Männer und Frauen von Frostwehr an, um sie gnadenlos niederzumachen.
Die Hexen zogen sich bis fast zum Stadttor zurück. Hinter den Reihen ihrer eigenen Kämpfer waren sie sicher. Nachdem der Zirkel der Stadt eingeäschert und der feindliche Häuptling gefangen genommen war, wurden die Verteidiger von Frostwehr wie die Lämmer abgestochen, zumal sie zwischen den im Norden tobenden Bränden und den Kriegern unter dem Befehl von Krazka und Orgrim im Süden in der Falle saßen. Sie waren verzweifelt und geschwächt durch die Unterernährung und fielen wie Weizenhalme unter der Sichel.
Yllandris schnappte nach Luft. Es war ein entsetzliches Blutbad. Schwer atmend betrachtete sie die Gebäude in der Nähe. Schenken, Langhäuser und andere wichtige Bauwerke bildeten das Zentrum der Stadt, wo gerade die letzten Verteidiger niedergemacht wurden. In ihrer unmittelbaren Umgebung gab es nur bescheidene Wohnhäuser und Hütten. Hinter einer Tür bemerkte sie ein kleines Gesicht, das sofort wieder verschwand.
Shranree war es nicht entgangen. »Das Schlimmste ist vorbei«, sagte sie. »Wir haben gesiegt. Jetzt treiben wir die Ratten aus den Löchern und blasen ihnen das Lebenslicht aus. Verschont niemanden.«
Die ältere Schwester drehte sich um und schoss eine Feuerkugel auf eine Hütte ab, die sofort in Flammen aufging. Drinnen ertönten Schreie, die langsam erstarben. Shranree klatschte in die Hände und watschelte davon, dem nächsten Ziel entgegen. Die anderen Hexen folgten ihr und verteilten sich, um getrennt auf die Jagd zu gehen.
Yllandris blickte in die Runde. Da drüben, nahe an der Mauer, stand eine kleine Hütte, über deren Dach sich eine dünne Rauchfahne kräuselte. Die Bewohner waren so dumm gewesen, das Feuer im Herd nicht zu löschen. Dumm … oder so durchgefroren, dass sie das Feuer nicht einmal löschen wollten, als ein mörderisches Heer vor ihrer Tür aufmarschiert ist.
Die junge Hexe fühlte sich zunehmend unwohl. Hochländer hatten stets das Gesetz befolgt. Das Regelwerk hatte auf der Überlieferung der Krieger beruht und dazu beigetragen, dass die Kämpfer aus den Hohen Klippen in der ganzen Welt gerühmt wurden. Seit Jahrhunderten war ihre Lebensart festgeschrieben. Dann war der Schamane
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