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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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der Geburtstagsfeier seiner Schwiegermutter, und bevor sie sich weiter von Steffi ausfragen ließ, war das hundertpro die bessere Alternative. »Aber vorher will ich dir noch was zeigen.«
    Lena dirigierte Daniel in ihr Zimmer, fischte die Karte aus dem Papierkorb und drückte sie ihm in die Hand. »Was hältst du davon?«
    Daniel betrachtete sie und gab sie dann Lena zurück. »Vielleicht ist es nur ein schlechter Scherz.«
    »Glaub ich nicht. Ulrike hat damals eine ganz ähnliche Karte bekommen. Warte, ich zeig sie dir.«
    Kurze Zeit später lagen die beiden Karten nebeneinander auf dem Schreibtisch. Daniel pfiff leise durch die Zähne. »Das ist ganz klar dieselbe Handschrift.« Er richtete sich auf und steckte die Hände in die Taschen der Jeans. »Du hast recht. Das ist kein Scherz. Wer vor zwanzig Jahren deiner Tante Angst gemacht hat, der versucht nun dasselbe bei dir.«
    »Genau. Und die Botschaft ist klar. Ich soll nicht weiter in der Vergangenheit wühlen, sondern sie in Frieden ruhen lassen. Und das kann nur bedeuten, dass Ulrike wirklich tot ist.« Lena ließ sich aufs Bett plumpsen. »Vielleicht sollte ich mir ein anderes Thema für meinen Film suchen.«
    Daniel sah sie nachdenklich an. »Das wäre wahrscheinlich das Vernünftigste. Aber ich schätze mal, das wirst du nicht.«
    »Das kann ich nicht. Hier geht es um meine Tante. Ich hatte nie die Chance, sie kennenzulernen. Und wenn sie noch lebt, dann will ich das wissen.« Daniel nickte, er schien Lena zu verstehen. »Und außerdem … lasse ich mir doch nicht von irgendeinem Idioten Angst machen!«, fügte sie trotzig hinzu, obwohl ihr bei dem Gedanken an den blutigen Stein und die Erkenntnis, dass ein und dieselbe Person allem Anschein nach vor zwanzig Jahren Ulrike und nun ihr eine Warnung geschickt hatte, mehr als mulmig zumute war. »Okay.« Daniel setzte sich neben sie. Auch ihn beunruhigten die Drohungen, das sah man ihm an. Schlafende Bestie. Der Schlafende. »Möglicherweise steckt doch Odakota dahinter. Wir sollten vielleicht mal mit der Frau reden, die er vor zehn Jahren gerettet hat.«
    »Kennst du sie?«, fragte Lena.
    »Nö. Aber das kann ich herausfinden. Ich muss nur mit der Cousine meiner Mutter sprechen. Sie ist ein wandelndes Nachrichtenmagazin. Die weiß alles und kennt jeden. Aber vorher fahren wir zu Florian und Rebecca an den See. Du brauchst jetzt ein bisschen Ablenkung, wenn du mich fragst. Lagerfeuer, Gitarrenmusik, Stechmücken. Und einen gut aussehenden Mann an deiner Seite, der auf dich aufpasst.« Ein freches Lächeln zog über sein Gesicht.
    »Klingt echt verlockend. Vor allem die Mücken.« Lena grinste.
    Sie packte ihre Sachen zusammen, dann fuhren sie los. Es wurde dunkel. Der Mond stand voll über den Bergen, die ersten Sterne erschienen am Himmel. Im Wald war es beinahe finster. Der Schein der Radleuchten hüpfte über den holprigen Weg, streifte Gräser und Farne und erfasste Nachtfalter und Mücken. Büsche und Bäume warfen im fahlen Licht des Mondes bizarre Schatten. Schemenhaft huschte ein Tier unmittelbar vor Lena über den Weg. Sie bremste und wäre beinahe gestürzt. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie war doch sonst kein Angsthase. Gelang es dem anonymen Schreiber tatsächlich, sie zu verun­sichern?
    Als sie die alte Villa passierten, glaubte sie, einen schwachen Lichtschimmer im Inneren zu erkennen. Ein zartes, kaum wahrnehmbares Flackern, wie von Kerzen. Zwischen dem Rauschen des Windes in den Bäumen, dem Klang ihres eigenen Atems und dem Geräusch, das die Reifen auf dem Waldboden verursachten, hörte Lena leises Geklingel. Trieb Odakota sich dort herum? Oder bildete sie sich das ein?
    Daniel schien nichts bemerkt zu haben, denn er verlangsamte seine Fahrt nicht. Zu viel Fantasie! Lena atmete durch und schloss zu Daniel auf.
    Kurz darauf erreichten sie den See und schoben die Räder über die Wiese bis zum Lagerfeuer, das Florian schon entfacht hatte. Rebecca war im Wasser. Schemenhaft glitt ihr Körper durch die ruhige Oberfläche, in der der Mond sich spiegelte, Richtung Boje. Ein sanftes Plätschern in der Stille, das vom Knistern des Feuers begleitet wurde und von den Stimmen der Jungs.
    Die Nacht war warm und die Idee, eine Runde zu schwimmen, verlockend. Lena zog sich in den Schatten eines Gebüschs zurück, um die Klamotten gegen den Bikini zu tauschen. Von irgendwoher klang ein Knacken und leises Rascheln. Sicher ein Tier, dachte Lena, entschlossen, sich nicht weiter beunruhigen zu

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