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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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er dran anzurufen. Ihre Gefühle schwankten zwischen Ärger und Kummer, Wut und Trauer. War sie zu zickig? Oder war er zu forsch?
    Als dann endlich das Telefon klingelte, war sie erleichtert. Doch es war Daniel, der anrief. Das Nachrichtenmagazin auf zwei Beinen – die Cousine seiner Mutter – hatte die gewünschten Informationen aus den Archiven ihres Gedächtnisses gekramt. Das Mädchen, das Odakota damals schwer verletzt gefunden hatte, hieß Maria Singer, lebte nach wie vor im Nachbardorf, war inzwischen mit einem Malermeister verheiratet, Mutter von zwei Kindern namens Jonas und Sabine und arbeitete im Supermarkt an der Kasse. Heute bis zwei Uhr nachmittags.
    Überwachungskamera wäre treffender als Nachrichtenmagazin, dachte Lena.
    »Wenn es dir recht ist, komme ich mit«, sagte Daniel.
    Anscheinend gefiel ihm die Rolle des Bodyguards. Lena hatte eigentlich keine Lust, weiter in Ulrikes Leben zu graben. Konnte ihr doch egal sein, was mit ihrer Tante wirklich war.
    Bei der Vorstellung, hier in diesem Zimmer mit den Rosentapeten und dem Prinzessinnenbett sitzen zu bleiben und Trübsal zu blasen, legten sich allerdings Bleiplatten auf ihre Brust. Sie würde durchdrehen. »Okay. Treffen wir uns in zehn Minuten am Dorfplatz?«
    Daniel wartete schon, als sie ankam. Gemeinsam radelten sie ins Nachbardorf zum Supermarkt und kauften dort zwei Schokoriegel und eine Flasche Apfelschorle. An der Kasse saß eine Frau mit blondem Kurzhaarschnitt und grünen Augen, die frech funkelten. Sie sah lebenslustig und fröhlich aus. Am weißen Kittel steckte ein Schild: M. Singer.
    Eine Viertelstunde später verließ sie den Supermarkt. Den weißen Kittel hatte sie abgelegt, darunter war ein buntes Sommerkleid zum Vorschein gekommen. Lena und Daniel, die sich am Rande des Parkplatzes auf eine Mauer gesetzt hatten, standen auf und gingen auf sie zu. Lena sprach sie an und erklärte ohne Umschweife, was sie von ihr wollten. Maria Singer reagierte darauf ziemlich unwirsch. »Das ist ewig her und ich bin froh, dass ich das vergessen habe.« Sie seufzte abgrundtief. »Warum interessiert euch das denn eigentlich?«
    »Sie sehen meiner Tante total ähnlich. Sie ist zehn Jahre vor dem Überfall auf Sie verschwunden. Vielleicht wurde sie von demselben Mann überfallen.«
    »Und das willst du nun herausfinden?« Maria Singer kramte in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel. »Du solltest das der Polizei überlassen.«
    »Die interessiert das aber nicht. Und mich hat gestern irgendjemand gewarnt, nicht weiter in der Vergangenheit zu wühlen.«
    »Dann solltest du genau das tun.«
    »Ich will doch nur wissen, ob Odakota der Täter sein könnte.«
    »Darauf kann ich dir eine klare Antwort geben: Ich weiß es nicht. Ich habe den Kerl nicht gesehen, der mich von hinten gepackt und ins Gebüsch gezerrt hat. Es war Nacht. Es war stockfinster. Er hat nach Pfefferminz gerochen und war größer als ich. Mehr weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir gekommen bin, lag ich im Krankenhaus und hing an Schläuchen.«
    »Wissen Sie, weshalb gegen Odakota nie ermittelt wurde, obwohl es doch Spuren gab?«, fragte Lena.
    »Natürlich wurde gegen ihn ermittelt. Doch die Spuren waren erklärbar. Die Polizei hatte nichts gegen ihn in der Hand und musste ihn laufen lassen.«
    »Hatte er denn ein Alibi?«, fragte Daniel, der bisher schweigend am Rand gestanden war.
    Doch Maria Singer zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte ganz offensichtlich weder Zeit noch Lust, sich weiter mit Lena und Daniel zu unterhalten. Stattdessen stieg sie in ihr Auto und brauste vom Parkplatz.

23
    »Ich finde, sie hat recht«, meinte Daniel, als sie kurz darauf über Feldwege zurück nach Altenbrunn radelten. »Du solltest zur Polizei gehen.«
    »Was habe ich denn in der Hand? Das einzig Konkrete sind die Postkarten, die hätte man längst untersuchen sollen, aber sie sind weg. In Spanien. Und sonst habe ich nichts. Odakotas abgerissene Gefühle, meine Vermutung, Claras Sorge, damit kann ich doch der Polizei nicht kommen. Die haben die Ermittlungen vor zwanzig Jahren eingestellt und werden sie nur wieder aufnehmen, wenn ich handfeste Beweise habe. Nur wegen diverser Vermutungen … die lachen sich schlapp. Außerdem wird meine Mutter ausflippen. Sie will einfach nicht wahrhaben, dass Ulrike etwas zugestoßen sein könnte.«
    Daniel schwieg.
    Der Weg führte an einem Bach entlang. Links lagen Weizenfelder, rechts rauschte das Wasser. Über ihnen strahlte der Himmel blau.
    »Und was willst

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