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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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mit ihm sprechen wollte. Und das würde er, da war sie sich sicher.
    »Gut, dann treffen wir uns in drei Minuten am Weg hinter der Schmiede. Heute kann ich nämlich nicht mit dem Rad kommen.«
    »Ist etwas passiert?«, fragte Benno, plötzlich besorgt. »Du klingst, als hättest du geweint!«
    Sie wollte jetzt keine Zeit verlieren. »Ich erzähle es dir gleich. Kannst du mit deinem Auto in drei Minuten am Treffpunkt sein?«
    »Solche Sehnsucht nach mir?«
    »Ja, schon.«
    »Ja, dann. Bis gleich.«
    Lena legte auf, öffnete das Fenster, schwang ihre Beine auf die andere Seite und sprang auf den Weg hinunter. Vorne raus konnte sie nicht. Tom und Steffi würden sie sehen. Sie nahm den neu entdeckten Zugang zum Garten der Leitners und schlich auf die Straße.

29
    Florian stellte die Alben zurück in die Schrankwand. Acht Nieten, drei Treffer und was war mit Aix-en-Provence? Er war sich nicht einmal sicher, wo das lag. Irgendwo in Südfrankreich? Aber bei diesem Ortsnamen klingelte noch immer etwas in seinem Hinterkopf.
    Nachdenklich blieb er im Wohnzimmer stehen und sah aus dem Fenster. Dabei entdeckte er seine Oma, die mit einem Korb voller Wäsche zu den Leinen ging. Und plötzlich wusste er es. Oma war in Aix gewesen. Eine Busreise mit dem Pfarrgemeinderat. Wie lange war das her? Vier oder fünf Jahre?
    Er warf einen Blick auf das Tempotaschentuch. Aix-en-Provence, September 2006. Wenn Oma sich um die Wäsche kümmerte, war sie eine ganze Weile beschäftigt und würde zwischen Waschküche, Bügelraum und Wäscheleine sicher noch einige Male hin und her rennen. Kurz zögerte er, dann ging er nach oben. Seine Großmutter bewohnte zwei Räume im ersten Stock und hatte dort auch ein eigenes Bad.
    Ihre Fotoalben standen in einem Regal im Wohnraum. Florian nahm eines heraus und sah sicherheitshalber noch mal aus dem Fenster. Warum tat er das? Irgendwie war es nicht vorstellbar, dass seine Oma … und irgendwie doch. Er gab sich einen Ruck. Er würde nachsehen. Jetzt! Sein Herz klopfte auf einmal schneller. Was er da tat, war nicht richtig. Gegen die eigene Familie gerichtet. Und doch, er musste es tun.
    Mit einem weiteren Blick vergewisserte er sich, dass seine Oma noch beschäftigt war. Im Nachbargarten rührte sich etwas. Lena kam mit einem Tablett auf die Terrasse und setzte sich.
    Die Alben seiner Oma waren nicht ganz so sorgfältig geordnet wie die seiner Mutter. Es standen nur die Orte dabei, keine Daten. Er begann zu blättern. Sizilien, Athen, Kreta. Oma war mit ihrer Cousine aus Regensburg dorthin gereist. Von Kreta hatte Ulrike im August 1990 die erste Karte geschrieben. Angeblich. Florian löste einen Abzug aus den durchsichtigen Fotoecken, die ihn hielten, drehte ihn um und hatte Glück. Das Fotolabor hatte auf der Rückseite ein Datum aufgedruckt. 28. August 1990.
    Florian griff nach dem Kugelschreiber, der auf Omas Kreuzworträtselheft lag, und hakte Kreta auf seiner Liste ab, ebenso die drei Treffer, Malaga, London und Teneriffa. Denn auf diesen Reisen war Oma mit dabei gewesen. Er blätterte im Album weiter. Bingo. Rom, Mai 1991. Nun stand es fünf zu sechs und die Wahrscheinlichkeit, dass dies ein Zufall war, tendierte gegen null.
    Florian zog die nächsten Alben aus dem Regal, blätterte, nahm Fotos heraus, hakte seine Liste ab. Inzwischen drangen Stimmen aus dem Garten nach oben. Aufgeregte Stimmen. Er sah nach, was da los war. Lena, Oma und Uroma stritten sich. Man konnte nicht verstehen, worum es ging, denn das Fenster war zu. Er hörte nur den dumpfen Hall, sah die aufgeregte Gestik und erkannte an Omas hervortretenden Halssehnen, dass sie herumschrie. Uroma war anscheinend wieder einmal ausgebüxt. In Hut und Mantel stand sie da und umklammerte ihren Koffer. Florian verstand sie nur zu gut. Wie oft hatte er schon daran gedacht, einfach abzuhauen. So wie Ulrike. Wobei, die war ja vermutlich nicht einfach davongelaufen. Irgendetwas musste ihr zugestoßen sein und damit hatte, darauf deutete inzwischen so gut wie alles hin, Oma zu tun.
    Noch zwei Stationen, dann war die Liste vollständig. Er würde das jetzt durchziehen. Bis Oma mit der Uroma ins Haus und die Treppe heraufkam, würde er das schaffen.
    Mit fliegenden Fingern blätterte Florian durch das Fotoalbum.

30
    Lena erreichte den Weg hinter der alten Schmiede im selben Moment wie Benno. Sie stieg in den Geländewagen. Benno gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Was ist mit dir, Liebes? Du wirkst ganz aufgelöst?«, fragte er, während er

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