Schattenland - Begegnung mit Victor (German Edition)
Sicherheit und Stabilität zu stark, als dass er den Schritt wagen würde? Ich wünschte, mir käme nicht jede Minute wie eine Ewigkeit vor.
„Lieber Victor, wir können uns gern morgen sehen. Mittags in unserem Restaurant?“
Victors Zusage kam keine fünf Minuten, nachdem ich ihm den Vorschlag gemacht hatte.
Es war ein wunderschöner Herbsttag. Die Blätter hatten sich inzwischen in allen Goldtönen gefärbt, als ich die breite Allee entlang fuhr, an deren Ende, direkt am Waldrand, sich unser kleines Restaurant befand. Stundenlang hatte ich mich für heute zurechtgemacht. Wahrscheinlich in dem bizarren Glauben, das könnte seine Entscheidung beeinflussen. Aber hielt ich ihn tatsächlich für so oberflächlich?
Als ich den kleinen, gemütlichen Raum betrat, wusste ich bereits, dass er schon da sein musste, da sein Auto vor der Tür stand. Etwas unsicher schaute ich mich um, und bemerkte, wie mich das Paar an dem Ecktisch anstarrte. Nun, die Absätze meiner Schuhe waren heute besonders hoch, da ich wusste, dass er es liebte, mich in diesen überirdisch hohen Schuhen laufen zu sehen. Er saß an genau dem Tisch, an dem wir immer saßen, wenn wir uns in diesem Lokal trafen. Er sah zu mir rüber. Erkannte ich da etwa ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht? Ich weiß es nicht, da ich in diesem Augenblick viel zu nervös war, um überhaupt einen klaren Gedanken fassen zu können. Jetzt bloß nicht stolpern meine Liebe. Geschafft.
„Hallo Victor, schön dich zu sehen.“
„Liebe Mia, immer wieder ein Genuss, dich in diesen Schuhen laufen zu sehen. Als hättest du dein Leben lang nichts anderes getan. Komm, setz dich zu mir!“
Mensch, der hatte vielleicht Nerven. Bei diesem wichtigen Treffen so etwas furchtbar Banales wie meinen scheinbar perfekten Gang in diesen überirdisch hohen Schuhen zu kommentieren. Zugegebenermaßen nahm er mir dadurch aber auch ein klein wenig Anspannung. Er gab mir einen sanften Kuss und bat mich, Platz zu nehmen.
„Was möchtest du trinken, Mia? Ich bestell gern für uns beide.“
„Ein Wasser, bitte!“
Als er bestellt hatte, saßen wir uns eine ganze Zeit lang schweigend gegenüber. Ich traute mich nicht, das Gespräch zu beginnen. Und außerdem war es auch nicht meine Aufgabe, da er ja mir etwas mitteilen wollte.
„Wie soll ich bloß anfangen, liebste Mia. Ich habe mir die letzten Wochen den Kopf darüber zerbrochen, wie ich es schaffen könnte, für diese Situation eine Lösung zu finden ohne jemanden verletzen zu müssen. Das halte ich inzwischen allerdings für eine Illusion. Dennoch muss sich etwas ändern, da diese „Menage a trois“ für keinen von uns auf Dauer lebbar ist. Deshalb ist die Trennung von meiner Frau lediglich noch eine Frage der Zeit. Allerdings möchte ich dich bitten, mir diese Zeit zu geben, auch wenn es etwas länger dauern kann, als du dir das vielleicht wünschen würdest, liebe Mia.“
Mein Herz machte gerade Luftsprünge. Die höchsten, die ich es jemals habe machen sehen. Hatte ich das wirklich richtig verstanden? Unsere Liebe würde eine zweite Chance bekommen? Würden all meine Träume doch noch Wirklichkeit werden? Meine Liebe zu Victor tatsächlich ein Happy End finden? Ich musste jetzt auf alle Fälle die Geduld aufbringen, um die er mich gebeten hatte. Aber was waren schon diese Wochen oder Monate im Vergleich zu meinem zukünftigen Leben mit ihm.
„Oh Victor, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Außer, dass ich sehr glücklich darüber bin, dass unsere Liebe eine Chance bekommt. Wir werden es beide nicht bereuen, da bin ich mir sicher.“
Victor schloss mich fest in seine Arme und gab mir einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Die Zeit schien still zu stehen. Es gab nur noch uns beide. Ein wundervolles Gefühl der tiefen Liebe, des grenzenlosen Glücks und wieder gewonnenen Vertrauens.
Vollmond
Seit unserem letzten Treffen waren schon wieder ein paar Wochen vergangen, in denen wir lediglich per Mail Kontakt hatten. Dafür, dass sich Victor für uns entschieden hatte, war seine Motivation mich zu sprechen oder zu sehen doch erstaunlich gering. Ich dachte, das läge mitunter daran, dass er geschäftlich sehr eingespannt war und seine Frau ganz sanft auf eine bevorstehende Trennung vorbereiten wollte.
Heute Abend hatten wir uns an einem sehr ungewöhnlichen Ort verabredet. Es war ein kleiner See, der in etwa gleich weit von uns beiden entfernt lag. Da
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