Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
Lager nahe beim Wrack aufgeschlagen, saßen dort ums Feuer, lachten und sangen. Die Menschen waren sich selbst überlassen.
Es war gar nicht daran zu denken, sich hinzulegen, höchstens wenn man zu zweit aneinandergekettet war. Laura, Zoe und Milt arrangierten sich, soweit es möglich war, und wechselten nach Absprache die Position. Laura fand es trotz der unbequemen Lage tröstlich, die beiden anderen zu spüren.
Zwischendurch nickte sie ein, ihr Kopf sank auf die Brust, doch durch eine Bewegung der anderen wurde sie schnell wieder aus dem Schlummer gerissen.
»Ich hab’s satt«, wisperte sie schließlich. »Wie kommen wir hier wieder raus?«
»Also, ich wüsste da vielleicht was«, gab Milt zurück. »Aber wir müssen warten, bis es richtig Nacht ist und die Dreckschweine schlafen.«
»Du weißt was, du Holzkopf, und sagst es erst jetzt?«, keifte Zoe leise. »Was machen wir dann noch hier?«
»Na ja, das geht nicht sofort, ich sagte es bereits, und es mag euch auch vielleicht ein wenig seltsam vorkommen.«
Mir alles egal«, stieß Laura aufgeregt hervor. »Rück raus damit, sofort!«
Auch Zoe sah ihn auffordernd an.
Milt ließ sie zappeln, bis er den Moment für gekommen sah. Die Räuber waren inzwischen still geworden. Einige torkelten noch betrunken umher, doch es war nur eine Frage der Zeit, wann auch diese halb bewusstlos auf ihr Lager sinken würden.
Laura verbog sich zu Milt, soweit sie es vermochte, und er drehte sich zu ihr. »He!«, beschwerte sich Zoe. Sie konnte sich jedoch ziemlich gut anpassen; sie war sehr biegsam und geschmeidig.
»Könnt ihr mich so hören?«, raunte Milt. »Wir müssen ganz unter uns sein.«
»Mhm«, gab Zoe zurück. Laura wisperte: »Ja.«
Um sie herum herrschte Stille. Sie waren weit genug von allen anderen entfernt; Belorion hatte das bewusst angeordnet, damit kein Austausch untereinander stattfinden konnte.
»Da bin ich jetzt wirklich gespannt«, knurrte Zoe. »Wie wir zu dritt auf diese Weise aneinandergekettet fliehen wollen.«
»Also wir werden nicht direkt fliehen«, begann Milt vorsichtig. »Aber ich will die Flucht vorbereiten.«
Zoe stieß ein kritisches Schnauben aus, und Laura war enttäuscht. Nun gut, was hatte sie erwartet? Dass Milt ein Wunder vollbrachte? Sich als Superman entlarvte, der die Ketten sprengte und mit ihnen davonflog?
»Hört mir doch erst mal zu«, bat er.
»Ich hab sowieso nichts anderes zu tun«, knurrte Zoe. »Also laber mich ruhig voll, vielleicht kann ich dann besser einschlafen.«
»Es ist so«, fing Milt an. »Da gibt es also diesen Kult in …«
»Oh nein, jetzt fängt er mit Voodoo-Hoodoo an«, stöhnte Zoe auf.
»Äh, also, ein bisschen. Es geht eigentlich um Obeah. Ist ähnlich wie Voodoo, hat aber mit Haiti nichts zu tun.«
Zoe wisperte etwas Abfälliges, aber Laura zischte sie an, ruhig zu sein.
Milton fuhr fort: »Obeah ist ein animistischer Kult, der afrikanische Wurzeln hat. Er wird heute noch im Geheimen auf Cat Island in meiner Heimat praktiziert.«
»Aber du bist doch weiß«, wandte Zoe ein.
»Stell dir vor, Obeah macht nicht vor der Hautfarbe halt. Es ist nicht einfach irgendein Glaube, Zoe, es funktioniert tatsächlich. Obeah-Anhänger haben Zugang zu einer Geisterwelt, mit der sie durch entsprechende Rituale in Verbindung treten.«
Lauras Ohren kribbelten. Sie dachte an ihre Traum-Begegnung mit dem Mondelfen. Er hatte behauptet, dass sie die Geisterwelt betreten könne. Und nun sprach dieser auf den Bahamas geborene Australier auch noch davon?
Am liebsten hätte sie Milt gesagt, dass er aufhören solle, doch dann hätte sie begründen müssen, warum, und das wollte sie noch weniger. Also hörte sie weiter zu.
»Wart ihr auf Cat Island? Man sieht dort in den Bäumen viele bunte Flaschen. Die sollen Häuser und Menschen vor bösen Geistern schützen, die davon abgeschreckt oder gar damit eingefangen werden können.«
»Und mit Liebe hat das nichts zu tun?«, fragte Zoe.
»Aber natürlich. Mit Obeah kannst du sogar den stärksten aller Liebeszauber bewirken. Er hält so lange, wie deine Liebe dauert.«
»Und der Verzauberte hat gar keine Chance …«
»Doch, hat er. Wenn er wirklich nichts für dich empfindet, kannst du das nicht erzwingen. Obeah ist eine positive Magie.«
»Pffffft«, machte Zoe gedehnt. »Und ich hab dich bisher für einen bodenständigen Kerl gehalten.«
»Das bin ich auch«, beteuerte Milt. »Lass mich doch weiter erklären.« Als er keinen Widerspruch hörte, holte er Luft
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