Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
denkst du, das macht mir was aus?« Und dann fügte sie etwas Obszönes hinzu, aber auf eine Art und in einem Tonfall, der die beiden Männer verlegen beiseiteschauen ließ. Schweigend schlossen sie die Knoten und machten dann, dass sie wegkamen.
Milt starrte Zoe an, doch die grinste nur. »Krieg dich ein, Milt, nicht mal du kannst so behütet aufgewachsen sein.«
»Du weißt ja, Zoe«, warf Laura ein. »Die, die sich am prüdesten geben, sind in Wirklichkeit diejenigen, die alles heimlich tun. Sie wollen nur nicht drüber reden.«
Die beiden kicherten, und Milt murmelte: »Ich will eine Einzelkette, und zwar sofort.«
»Nun haben wir alle sorgfältig gelistet«, eröffnete Belorion seine nächste Ansprache. »Wie ihr selbst erkennen könnt, sind die einen nützlicher als die anderen. Ihr hier auf der privilegierten Seite«, er wies nach rechts, »ihr seid jung und gesund. Ihr werdet auf dem Sklavenmarkt versteigert.«
»Das kann doch nicht …«, setzte Felix an. Angela wiederholte ihre Bitte: »Nicht die Kinder …«
»Einzeln«, fügte der Sklavenhändler grausam lächelnd hinzu. »Ich mache keine Pakete mit Rabatt. Aber keine Sorge. Euch erwartet kein schlechtes Leben. Ihr werdet in verschiedenen Bereichen arbeiten, und zumeist werdet ihr gut behandelt.«
Dann wandte er sich an die linke Seite. »Ihr werdet als Arbeitskräfte vermietet, bis ihr keine Leistung mehr bringen könnt. Dann werdet ihr als Opfergaben verkauft. Das ist sehr beliebt.«
»Was?«, schrie Rimmzahn. »Du hast sie wohl nicht mehr alle! Das mache ich auf keinen Fall mit!«
»Und ich auch nicht!«, pflichtete ihm Karys bei.
Bevor Belorion einschreiten konnte, brach ein gewaltiger Tumult aus; die Leidensfähigkeit der Gestrandeten schien an ihre Grenze gekommen zu sein.
Hätten sie sich das mal früher überlegt, dachte Laura, jetzt sind wir doch alle gefesselt. Dann schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Den Kampf haben wir verloren, als wir noch ungefesselt waren.
Auch auf ihrer Seite begannen die Leute zu schreien Laura hingegen schwieg, und sie war froh, dass Zoe und Milt sich ebenfalls nicht beteiligten. Laura hatte Belorions Warnung noch in den Ohren; andererseits war ihr klar, dass ihre Leidensgefährten nicht mehr zu bremsen waren. Sie mussten jetzt ihre Angst und Wut hinausschreien, und kein Appell an die Vernunft würde gehört werden.
Mit dem Aufstand war es schnell vorbei, als Belorion ein Zeichen gab: Vier seiner Männer lösten wahllos jeweils auf der linken und der rechten Seite jemanden von den Fesseln, rissen die »Auserwählten« hoch und zerrten sie mit sich. Es waren ein etwa sechzig Jahre alter Mann auf der linken Seite und eine um die vierzig Jahre alte Frau auf der rechten. Beide wurden gezwungen, sich vor die Menge zu knien, der Kopf wurde nach unten gehalten. Immer noch gab es Proteste, doch sie gingen schon merklich zurück.
»Ihr nehmt mich weiterhin nicht ernst«, ertönte Belorions laute Stimme. »Nun, das ist euer Fehler.«
Die Köpfe der beiden Delinquenten wurden in den Nacken gedrückt, dann wurde ihnen der Mund aufgezwungen, und zwei Männer packten die Zungen mit der Zange und zogen sie heraus.
»Noch einen Ton!«, schrie Belorion. »Einen einzigen Ton, und ich schneide ihnen die Zungen ab!«
Es wurde mucksmäuschenstill. Laura hielt vor Entsetzen den Atem an.
Zwei weitere Männer setzten scharf blinkende Messer an den Ohren der beiden schluchzenden und zitternden Gefangenen an.
»Ein Befehl, der nicht auf der Stelle befolgt wird, und ich werde die Ohren abschneiden!«
Viele begannen nun ebenfalls zu zittern und zu weinen.
»Ein Widerspruch, und ich schlage etwas Größeres ab. Im besten Fall den Kopf.«
Belorion sprach ganz ruhig, völlig ohne Emotion. Das machte die Drohung nur noch schlimmer.
»Bitte nicht«, flehte schließlich jemand. »Wir werden jetzt ganz vernünftig sein.«
Auf seinen Befehl hin ließen die Männer die Delinquenten los, doch erlöst waren sie nicht. Unter dem entsetzten Schweigen der anderen wurden sie fortgezerrt, und erst in der Nacht durften sie zurückkehren. Trotz der Dunkelheit war zu erkennen, dass sie misshandelt worden waren, aber sie sprachen kein Wort. Niemand wagte es, eine Frage zu stellen; alle hatten verstanden.
13
Hilferuf
an die Geister
E s mochte die jämmerlichste aller bisherigen Nächte sein. Nur ab und zu regte sich jemand, oder es gab leises Gemurmel. Die Räuber kümmerten sich nicht mehr um ihre Gefangenen; sie hatten ihr
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