Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
Was geben wir schon auf? Wir erkennen lediglich eine Oberhoheit an, wie wir es jetzt bereits tun.
Norbert Rimmzahn, der Weltenretter. Der Mann, der den Weltfrieden möglich gemacht hatte. Kein Leid mehr, keine Folter, keine Willkür.
So würden sie schon in nicht allzu ferner Zukunft über ihn reden. Und dann mussten selbst diese Kleingeistigen im Lager einsehen, wie dumm sie gewesen waren. Sie würden ihre zweite Chance erhalten, und Norbert war sicher, dass sie sie nutzen würden. Es war gar nicht anders möglich.
Norbert hatte sich wieder beruhigt, während er seinen Gedanken nachhing. Das war eine Schwäche, an der er arbeiten musste – er war immer noch zu emotional. Er musste diese Eitelkeit ablegen und Demut lernen, nur so konnte er von seiner Wahrhaftigkeit überzeugen. Viel zu sehr hatte er sich von einem Kind provozieren lassen. Ausgerechnet! Anstatt Wut hätte er ihm Verständnis und Geduld entgegenbringen müssen. Seine Worte des Verzeihens waren viel zu spät gekommen und hatten auch nicht gut geklungen, da er immer noch viel zu aufgebracht gewesen war.
Daran muss ich arbeiten. Ich werde den Schattenlord bitten, mir dabei zu helfen. Sonst kann ich nicht perfekt für ihn arbeiten. All diese menschlichen Schwächen muss ich ablegen. Wie kann ich von einer nächsten Stufe predigen, wenn ich sie selbst nicht erreicht habe? Ich mag erleuchtet worden sein, aber ich bin noch keineswegs vollständig. Das muss ich jetzt nachholen. Und aus dieser Niederlage lernen und stärker hervorgehen.
Er straffte seine Haltung, strich seine Kutte glatt. Ich brauche neue Kleidung, die ansprechender ist. Dies hier wirkt zu religiös, zu sektiererisch. Etwas wie ein Anzug, das wirkt seriös, und es sollte elegant sein. Und dann werde ich mir die Haare länger wachsen lassen und auch den Bart, damit ich väterlicher wirke. Am besten weiß gefärbt. Ja, das ist gut. Das schafft von vornherein Vertrauen und bringt andere dazu, mir zuzuhören.
Trotz aller guten Vorsätze wallte erneut Ärger in ihm auf, weil man ihm den Reitadler weggenommen hatte. Sich zu Fuß durch dieses Niemandsland zu bewegen – unerhört! Er brauchte Tage, um auch nur einen anderen Ort zu erreichen! Dabei verlor er ungeheuer viel kostbare Zeit, denn gerade jetzt, in der Anfangsphase, zählte jede Minute, und er musste dranbleiben.
Immerhin brauchte er sich nicht mehr um seine fünfzehnwöchige Todesfrist zu kümmern, denn der Schattenlord hatte ihm versprochen, dass er diese problemlos aufheben könne. Er wolle sich von Ablenkungen ungestört und unbefristet seiner Dienste versichern, hatte er mitgeteilt. Also hatte er das als Erstes geregelt, damit Norbert ungehindert agieren konnte, ohne sich Gedanken darum machen zu müssen, die er bei aller Disziplin nicht hätte vermeiden können. Denn das düstere Damoklesschwert über ihm hatte ihn durchaus bedrückt.
»Kannst du das auch für die anderen tun?«, hatte er den Schattenlord gefragt.
»Ich werde es tun«, hatte dieser geantwortet. »Wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Jetzt wären sie nur undankbar.«
»Und wenn immer noch welche uneinsichtig bleiben?«
»Ich bin gütig. Ich werde sie deswegen nicht sterben lassen. Umso treuer werden sie dann sein.«
Norbert hatte den meisten Gestrandeten klarmachen können, welches Geschenk ihnen zuteilwürde, und das hatte ihnen Hoffnung und neuen Lebensmut gespendet. Damit brauchte er hier im Lager natürlich nicht anzukommen, denn derzeit waren nur zwei Menschen von drüben anwesend, und die waren alles andere als bereit, ihm zuzuhören. Das hatte er soeben erlebt.
Also schön, wohin nun? Er musste so schnell wie möglich nach Cuan Bé zurück, denn von dort aus konnte er am besten agieren. Hier konnte er noch nirgends wirken und vor allem nicht allein. Er benötigte Unterstützung. Aber wie kam er auf dem schnellsten Wege dahin?
Norbert beschattete die Augen und ließ den Blick schweifen, bis er entdeckte, was er gesucht hatte. Das Lager der Gog/Magog.
Die Wanderung war weniger angenehm, als er es sich gedacht hatte. Zu Beginn der Reise durch Innistìr hatte Norbert tagelang wandern müssen, und er hatte gehofft, mittlerweile ausreichend trainiert zu sein. Aber das Gegenteil war der Fall. Er war ein Kopfmensch, kein Sportfuzzy. Ab und zu Tennis, ja, das konnte er wegen gewisser Kontakte nicht vermeiden. Aber Golf war natürlich besser, viel besser. Eine bequemere Sportart, bessere Kontakte, und man war hoch angesehen mit einem guten Handicap. Dieses
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