Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
in großen dunkelbraunen Augen.
Das waren die einen.
Und dann gab es noch die Wolfsköpfigen.
Die Hundsköpfigen mochten im Schnitt etwa einen Meter achtzig groß sein. Die Wolfsköpfigen aber waren an die zwei Meter groß oder sogar darüber. Sie waren breiter in den Schultern und massiger, sie trugen lederne Schurze und Lederharnische, Bein- und Armschienen, ebenfalls Sandalen. Ihre braune Haut war von dichtem schwarzbraunem Fell bedeckt, ebenso die Wolfsköpfe mit wilden gelben Augen und messerscharfen langen Reißzähnen.
Die Frauen unterschieden sich kaum von den Männern, nur durch eine leichte Wölbung der zumeist von Metallschalen bedeckten Brüste, und sie waren vielleicht ein wenig schmaler.
Allesamt waren sie mit jeder Menge Waffengürteln ausgerüstet, teilweise über den Brustkorb gekreuzt, an den Hüften und Schlaufen an den Armen und Beinen. Und sie trugen Schmuck, vorwiegend um den Hals, manche hatten den Nasenschwamm gepierct und/oder die Ohren, und hatten breite Armspangen angelegt.
Perfekte Kampfmaschinen. Und sie brauchten schon allein deshalb keine Wachen, weil jeder von ihnen eine Annäherung aus weiter Entfernung mit seiner empfindlichen Nase wittern konnte.
Norbert sah eine unübersichtliche Zahl von Zelten, dazwischen Feuer mit Kesseln und ein paar Wanderschmiede, die sich mit Schwertern und Spießen beschäftigten. Im Lager herrschte große Ruhe, nicht viel Bewegung, nur ein paar gedämpfte Stimmen schallten herüber.
Norbert mochte noch so abgebrüht sein, dieser Anblick machte ihm Angst. Wie ein riesiges Ameisennest mit einem kollektiven Bewusstsein, wo jeder seinen Platz kannte und nicht aus der Reihe tanzte. Mit Krieg hatte der Schweizer bisher nie etwas zu tun gehabt, doch das hier war der personifizierte Ausdruck davon.
In Cuan Bé war das anders gewesen, dort hatten die Iolair ihren Alltag gehabt und weitgehend normal gelebt. Hier jedoch ... gab es nur das Warten auf die Schlacht, und die Geduld war groß. Keine Sehnsüchte, keine Heißblütigkeit. Eiskalt war es, kälter noch als der Tod.
Norbert blieb stehen; irgendwann einmal würde schon jemand kommen und ihn fragen, was er hier zu suchen hatte. Dass sie ihn gleich umbrachten, damit rechnete er nicht. Sein Gewand, überhaupt seine Anwesenheit, musste etwas zu bedeuten haben. Vielleicht hatte ihn der Schattenlord auch schon angekündigt.
Jedenfalls wurde er ruhiger; genau wie beim Lampenfieber, bevor es losging. Ein bestimmter Moment war überschritten, und dann war er die Ruhe selbst, souverän und Herr der Lage. Diese Soldaten konnten ihm nichts antun, denn er war das Sprachrohr ihres Herrn. Sie hatten ihm zu gehorchen und ihm alle Wünsche zu erfüllen. Deshalb war er geschickt worden.
Er stand aufrecht da und verströmte Gelassenheit. Sämtliche Gefühle in ihm waren versiegt, nun ging es um Professionalität. Ob er nun ein Seminar vor fünf Leuten hielt oder in einem Fußballstadion auftrat – das machte keinen Unterschied. Es war sein Spiel. Seine Kontrolle.
Und diese Barbaren hier waren in jedem Fall seinem Intellekt unterlegen.
Endlich bemühten sie sich um Aufmerksamkeit. Ein Hundsköpfiger kam langsam heran; sein Gang war federnd und elegant. Die Wolfsköpfigen, die in der Nähe vorbeigingen, würdigten ihn keines Blickes, nicht einmal ihre Ohren bewegten sich in seine Richtung.
»Was willst du hier, Mensch?«, fragte der Hundsköpfige. Er klang gut verständlich trotz seiner Hundeschnauze.
»Bist du Gog oder Magog?«, fragte Norbert höflich.
»Beides. Wir ziehen keine Unterschiede. Wir sind Gog/Magog.«
»Ich bin Norbert Rimmzahn, und ...«
»Ah, der aus dem Vulkan«, unterbrach der Gog/Magog. »Dein Eintreffen wurde schon gemeldet.«
Das erfreute Norbert. »Dann weißt du also, dass ich der Emissär des Schattenlords bin.«
»Freilich«, antwortete der Hundsköpfige. »Was immer das bedeuten mag.«
Wie er es sich gedacht hatte. Total ungebildet. »Das bedeutet Sprecher, Botschafter ...«
»Jajaja.« Der Gog/Magog winkte ab. »Spielt doch keine Rolle. Was willst du?«
Das irritierte Norbert. »Nun, wenn mein Eintreffen gemeldet wurde ...«
»Wir kriegen ständig Nachrichten, was sich so tut.«
»Also, ich habe mit eurem Heerführer zu sprechen oder wer hier das Sagen hat.«
»Unser König.« Die Augen funkelten rötlich. »Du hast dich also nicht informiert? Nun, warum sollten wir es sein? Ist ja wohl kein offizieller Termin.«
Touché, dachte Norbert verärgert. »Ja. Bring mich zu ihm.
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