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Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde

Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde

Titel: Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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Dämmerlicht. Ein aufrecht gehender Wolf mit menschlichem Oberkörper und dem Schädel einer Bestie. Ein Werwolf, aus Albträumen geboren, so schien es. Er musste mindestens zweieinhalb Meter hoch sein, und er hatte keinerlei Schwierigkeiten, sich auf seinen Tierbeinen vorwärtszubewegen. Mächtige Krallen gruben Löcher in den Boden, Ballen hinterließen tiefe Abdrücke. Wie alle seines Volkes trug er nur einen Lendenschurz aus Leder und im Moment keinen Waffengürtel. Seine Brust war wie eine Tonne, die muskulösen Schultern breit, die Arme endeten in Krallenhänden. Sein buschiger Schwanz – er als Einziger hatte einen – schlug langsam hin und her. Glühend rote Augen saßen in dem Bestienschädel, die weißen Zähne waren gefletscht, Geifer rann an den Lefzen entlang. Die kräftigen Wolfsohren standen seitwärts ab; Norbert wusste nicht, was das zu bedeuten hatte – Aggression oder nicht? Die gerunzelte Nase, das Blecken der Zähne und das wilde Funkeln der zusammengekniffenen Augen ließen eher auf Ersteres schließen.
    Norbert hatte so viel Angst, dass er völlig erstarrt dastand. Herzschlag und Atem stockten. Nur seiner jahrzehntelang antrainierten Disziplin war es zu verdanken, dass er sich nicht in die Hosen machte.
    »Du weißt nicht, wer ich bin?« Die Stimme des Königs klang rau und gedämpft. »Nun, sieh mich doch an, bin ich nicht einem Märchen entsprungen? Eine Ahnung von mir wurde in die Albträume geschickt, die die Kinder heimsuchten. Ich bin der Inbegriff der Lust und der Gier, von Grausamkeit und Tod.« Sein riesiger Schädel näherte sich dem schlotternden Norbert, der sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Seine Stimme sank zu einem heiseren Flüstern herab. »Der Große Böse Wolf.« Sein Atem wehte über den Mann, sickerte in ihn ein und weckte jenen namenlosen Schrecken, der kollektiv von Generation zu Generation unter den Menschen weitergegeben wurde. »Das bin ich. Akuró.«
    Das letzte Wort war nur noch ein Hauch des Grauens. Norbert kam zu sich, als ihn etwas anstupste. Die Kralle eines Fingers. Erschrocken fuhr er hoch. Offenbar war er in Ohnmacht gefallen.
    »Das darf doch nicht wahr sein ...«
    Keuchend schüttelte er den Kopf und starrte zu der Wolfsbestie hoch. Sie war real. Aber er war noch am Leben. Zeit, sich wieder auf Fakten zu besinnen. Und auf die Tatsache, wer er war und in welcher Funktion er hierhergekommen war.
    »Das ist es allerdings.« Akuró grinste breit. Noch die kleinsten vorderen Schneidezähne waren scharf wie eine Rasierklinge. Das Zahnfleisch glänzte rosa. Alles an ihm strotzte vor Kraft. Die Wolfsbestie erfreute sich bester Gesundheit und offenbar auch Potenz. Unter so viel Wucht musste man unweigerlich zu Boden gehen – noch dazu, wenn einen sämtliche Albträume und Schreckgespenster damit einholten.
    »Aber sag's meinen Leuten nicht, die wissen das nicht.« Er richtete sich auf und ging federnd zu seinem Lager, ließ sich darauf nieder und griff nach dem Pokal, der danebenstand. Er wies auf einen kleinen Tisch. »Bedien dich. Kein schlechter Wein. Wir haben ihn irgendeiner Karawane abgenommen.« Er hielt kurz inne und lachte dann grollend. »Eigentlich haben wir die gesamte Karawane abgenommen ...«
    Damit war die Frage geklärt, wovon sich dieses große Heer ernährte. Sie fanden genug auf der Jagd und »pflückten« es. Und offenbar waren sie recht genügsam, brauchten keine Unmengen an Kalorien, um fit zu sein.
    Norbert stand auf und schwankte mit weichen Knien auf den Tisch zu. Er roch an dem Krug und stellte fest, dass es sich tatsächlich um Wein handelte. Er goss einen Pokal voll und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um. Es gab keine, also musste er mit dem Boden vorliebnehmen. Noch mehr Dreck auf dem edlen Weiß seines Gewandes. Und er saß wie ein Zwerg vor dem König in unterlegener Haltung.
    »Aber wie ist das möglich ...?« Akuró hatte nicht übertrieben; er war es, Norbert konnte es auf unerklärliche Weise fühlen. Die Zusammenfassung aller grausamen Wölfe in den Sagen und Legenden, Märchen und Geschichten. Die Ursache für die seit dem Mittelalter nie versiegende Angst vor Wölfen, obwohl einst die Hunde daraus entstanden waren. Nicht ohne Grund hatte er das Bewusstsein verloren.
    »Ererbtes Gedächtnis.« Akuró klopfte gegen seinen Schädel. »Meine Ahnen waren schon die Könige. Sie erinnerten sich daran. Ich hatte es in mir, konnte aber nichts mehr damit anfangen, weil das Verständnis und sogar das Wissen um die Welt

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