Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
allein dir gehören, wenn du uns ein wenig Zeit für eine Unterhaltung mit Krasarhuu verschaffst.«
Der Gog/Magog zögerte, ließ sich aber nicht irritieren. »Verschwindet!«, rief er. »Das ist meine letzte Warnung! Lasst euch euren Lohn ausbezahlen und kommt mir niemals mehr unter die Augen!«
Es wurde allmählich kritisch. Dieser Vorarbeiter war außergewöhnlich willensstark, und er sprach auch nicht auf einen Bestechungsversuch an. Er wirkte angespannt, als wäre er bereit, den Alarm auszulösen.
»Ich verstehe dich.« Arun legte möglichst viel Überzeugungskraft in seine Worte. Und auch Magie, ganz wenig, um nicht andere Gog/Magog rings um sie spüren zu lassen, dass Ungewöhnliches vor sich ging. »Du weißt ganz genau, was in diesen Tagen auf dem Spiel steht. Du bist einzig und allein unserem Volk verpflichtet. Du arbeitest bis an den Rand der Erschöpfung ...«
Du musst weiterreden! Es ist völlig einerlei, was du sagst! Hauptsache ist, dass er dir zuhört und nicht auf Harmeau achtet. Deine Aufgabe ist, Zeit zu gewinnen.
Er behielt den Alten aus den Augenwinkeln unter Beobachtung. Endlich hatte er den Pfeifenkopf in Brand gesetzt. Unaufgeregt paffte er darauf herum, als ginge es nicht um ihr Leben, sondern nur um ein Gespräch unter Freunden. Harmeau hatte die Ruhe weg, selbst jetzt, selbst hier, in dieser gänzlich unbekannten Umgebung.
»... aber es ist wichtig, dass sich Krasarhuu mit mir unterhält. Ich möchte ihm ein Angebot unterbreiten, das er unmöglich abschlagen kann. Vielleicht ist es gar kriegsentscheidend ...«
Sinnloses Blabla. Nichts, was eine Aussage besaß. Hauptsache war, dass der Gog/Magog zuhörte.
Endlich. Harmeaus Magie begann zu wirken! Nebelschwaden glitten aus dem Pfeifenkopf, vermengten sich zu kleinen Gestalten, die, Schmetterlingen gleich, auf den Vorarbeiter zuflatterten. Ihn umringten, und noch bevor er wusste, was mit ihm geschah, sein Gesicht einhüllten.
Arun trat näher an den Wolfsähnlichen heran und verdeckte ihn so gut wie möglich. Er fuchtelte mit den Armen umher, als würde er erregt mit dem Gog/Magog plaudern, während die Nebel-Schmetterlinge in dessen Mund eindrangen, ihn in Besitz nahmen – und ihm binnen kurzer Zeit seinen Willen nahmen.
Der Gog/Magog stand ruhig und mit glasigen Augen da, die Blicke ins Leere gerichtet. Spucke sabberte aus seinem Mund, die Lefzen zitterten.
»Du bringst uns ohne weiteres Aufsehen zu Krasarhuu!«, forderte Arun leise. »Du achtest nicht auf deine Landsleute. Du wirst sie abwimmeln, sollten sie Fragen über uns stellen. Hast du mich verstanden?«
»Ich habe verstanden«, wiederholte der Gog/Magog willenlos. Er machte kehrt und setzte sich in Bewegung, auf einen wenig frequentierten Gang zu.
Arun wies seine Begleiter an, ihm zu folgen. Er nickte Harmeau dankbar zu. Der Alte achtete nicht weiter auf ihn. Er wirkte gleichgültig, womöglich auch erschöpft. Zeigte die Pfeife auch Auswirkungen, die auf ihn selbst zurückschlugen?
Arun dachte nicht länger darüber nach. Er musste seine ganze Konzentration auf die Begegnung mit Krasarhuu richten. Dieser Mann besaß Einfluss, und er wusste womöglich, wer den Dolch Girne an sich genommen hatte.
Sie passierten eine Kontrollstelle. Die Gog/Magog blickten ihnen grimmig entgegen; doch als der Vorarbeiter eine herrische Bewegung tat, senkten sie ergeben die Häupter und ließen sie anstandslos passieren.
Es wurde ruhig um sie. Die Gangmauern glitzerten vor Feuchtigkeit. Von der Decke hing Wurzelwerk herab. Die Strünke wurden von einem leichten Windzug bewegt. Es wirkte, als würden sie nach ihnen greifen, um sie festzuhalten und zu sich hochzuziehen.
Wurzeln, die bis hierher hinabwuchsen? Sie waren mithilfe des Aufzugs gewiss einhundert Meter in die Tiefe gefahren. Was waren das bloß für Bäume? Wo wuchsen sie? Arun war sich sicher, an der Oberfläche kein auffälliges Pflanzenwerk entdeckt zu haben.
Klebrige Fäden berührten ihn, fuhren über sein Gesicht. Das Gefühl war widerlich, wie ihm die Umgebung von Sekunde zu Sekunde unheimlicher wurde. Arun durfte unter keinen Umständen darüber nachdenken, wo er sich befand und wie viele Tonnen Gesteinsmaterial über ihm lagerten. Er vermochte kaum noch zu atmen. Er war die Freiheit der Lüfte gewohnt, eine Freiheit, wie sie sonst nur die Vögel kannten. Hier jedoch existierten halb blinde Olme, Ungeziefer, seltsames Wassergetier in winzigen Tümpeln – und diese Gog/Magog, die wohl die widerlichste Gattung Leben von
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