Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
...«
»Das Denken überlass bitte schön uns Frauen, mein Freund.« Die Dame wandte sich von ihm ab und fixierte Laura mit frostigen Blicken. »Ich riskiere mein Leben, um euch zu helfen, und ich habe nun ein persönliches Interesse daran, dass die Dinge ins richtige Lot gebracht werden.« Sie deutete in Richtung Pranger. »Einer dieser Männer, Arishe, stand in meinem Sold. Darnaus hat eine Grenze überschritten, und dafür wird er bezahlen. Ich erwarte nicht weniger als eure volle Konzentration, wenn wir nun in den Palast des Überflusses vordringen. Um deine Freundin kümmern wir uns später, Menschin. Vorerst zählt einzig, was hinter diesen Mauern vorgeht. Denn wie ich in Erfahrung gebracht habe, ist das Zeremoniell bereits für die nächsten Stunden geplant ...«
Das Tor ... es war aus mattem Stahl getrieben und hatte eine Patina, die es uralt wirken ließ. Es mochte nicht so wertvoll wirken wie die zur Zierde überall angebrachten Beschläge - aber es strahlte Alter und Würde aus.
Vielleicht stammte es aus der Welt der Mainaks? Jener gesichtslosen Wesen, die die Eintretenden betrachteten, verschliffen über unzählige Prismenflächen, die es nicht erlaubten, auch nur eine einzige Spiegelung richtig wahrzunehmen?
»Benehmt euch, als wärt ihr schon hundertmal ein und aus gegangen«, flüsterte die Dame Gystia. »Bleibt stets hinter mir, überlasst mir das Reden. Du, Najid, gehst am Ende. Es ist dir nicht erlaubt, zwischen Städtern zu gehen.«
»Ich weiß«, sagte der Elefthi verdrießlich.
»Und jetzt seid still, bis wir den Saal der Stimmen durchquert haben ...«
Sie traten in eine Aula von gewaltigen Ausmaßen. Wuchtige Bögen spannten sich kreuz und quer, überall klirrte und knisterte es im kristallinen Gefüge. Auf atemberaubenden Konstrukten turnten vierbeinige Helferlein umher, die hier nistende Paradiesvögel oder anderes Getier vertrieben.
Die Akustik des Raums war unbeschreiblich. Ein jeder Schritt, ein jedes Wort und ein jeder Atemzug eines jeden Wesens im Saal war hörbar. Die Töne, Stimmen und Geräusche brachen sich an den Wänden, wurden von dort zurückgeworfen und vermengten sich dann, um einen orchestralen Gesang zu bilden, der sich über den Einzeltönen ansiedelte. Und trotz des babylonischen Sprachdurcheinanders gelang es Laura, Stimmen und Stimmungen einzelner Passanten herauszufiltern ...
»... habe es eilig ...«
»... möchte mich in diesem feisten Arsch vergraben und ...«
»... der Zandsch hat mir faule Ware verkauft...«
»... das Zeremoniell, es wird Konsequenzen haben, ganz gewiss ...«
»... möchte mein Haus umbauen, das komplette dritte Stockwerk als Schwimmbad herrichten ...«
Laura schwieg und lauschte in aller Ehrfurcht. Niemals zuvor hatte sie ein derartiges Hörerlebnis gehabt. Hunderte Stimmen, die nichts miteinander gemein hatten, vereinten sich in einem Kanon - und erzeugten eine ganz besondere Art von Melodie, die in ihr nachschwang. Die Stimmung erzeugte.
Sie spürte Unsicherheit. Lust. Gleichgültigkeit. Vorfreude. Und über alldem lag ein Ton, den sie als »ängstliche Erwartungshaltung« empfunden hätte. Alles war gespannt auf die Vorgänge weiter drin im Palast, dort, wo nur die wichtigsten Städter Zutritt hatten. Wo in den nächsten Stunden über den neuen Obersten Mäzen entschieden wurde.
Sie hatten den Raum beinahe durchquert und näherten sich einer Art Schalter, der von einem besonders fetten Städter besetzt war. Dieser winkte die Passanten fast gelangweilt in den nächsten Raum weiter. Auch sie wurden nach kurzer Musterung anstandslos durchgelassen. Laura empfand beinahe so etwas wie Bedauern, den Saal der Stimmen verlassen zu haben. Dieser Chor, den sie vernommen hatte, er machte ... trunken. Er erzeugte Lust nach mehr.
»Hier können wir freier reden«, sagte Gystia, nachdem sie sich in einem engen und stark frequentierten Zimmerchen wiederfanden. »Erst wenn wir den Saal des Rumors erreicht haben, droht wieder Gefahr.«
Sie nickte nach links und rechts. Städter verneigten sich huldvoll vor Gystia - um, nachdem sie ihnen den Rücken zugekehrt hatte, böse miteinander zu tuscheln.
»Du bist nicht sonderlich beliebt«, sagte Finn zu ihr.
»Niemand ist hier sonderlich beliebt. Wir Städter mögen nur uns selbst. Das Intrigantentum blüht, und wer dieses Spiel am besten beherrscht, besitzt auch die größten Chancen, an einem etwas größeren Teil des Kuchens zu naschen, der hier verteilt wird.«
»Was für ein Kuchen?«, mischte
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