Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
stecken. Mit größter Wahrscheinlichkeit hätte sich einer von euch verraten.« Gystia deutete auf mehrere dunkle, verhüllte Gestalten am linken Rand des Saals. »Dann wären die Rumoranden bereits jetzt alarmiert.«
Laura nahm einen weiteren Schluck von der köstlich schmeckenden Schokoladenflüssigkeit und hoffte darauf, dass die Kalorien, die sie zu sich nahm, beim Erlöschen ihres Kokon-Körpers ebenfalls verschwinden würden.
»Wie geht's jetzt weiter?«, fragte Finn.
»Vor uns befindet sich einer der Zugänge zum Innersten. Ab hier sind nur Mitglieder des Hochadels erlaubt.«
»Das heißt?«
»Es gibt Magier, die bestechlich und süchtig nach gewissen Genussmitteln sind. Ich hoffte, einen von ihnen an den Eingängen Dienst tun zu sehen.« Ihr Körper versteifte. »Aber ich befürchte, wir müssen zu etwas radikaleren Mitteln greifen.«
Sie deutete auf einen weiteren Eingang, gut fünfzig Meter links von ihnen. Eine hochgewachsene Frau, in wehende Tücher gekleidet, passierte eben den Zugang zum Innersten. Neben ihr schritt ein schmächtiger Knabe mit blassem Gesicht einher.
»Sikhiom!«, sagte Finn.
»Exakt. Und das Bürschlein, das ihr hinterherschleicht, ist der Oberheiligste Donautus, seines Zeichens Kronprinz und obendrein mein missratener Neffe.«
»Er trägt eine Waffe bei sich!«, sagte Jack. »Einen riesigen Krummsäbel.«
»Die Zeremonienwaffe, ganz richtig. Mit ihr soll er das Zeremoniell vollziehen, das seinen Machtanspruch dokumentieren soll. Er wird der Jungfrau den Leib aufschlitzen und sie häuten.«
23
Der
Königs-
macher
M olehibbon hielt sich tunlichst von den Damen und Herren des Hochadels fern. Er legte keinen Wert auf Kontakt und schon gar nicht darauf den strengen Ritualen der Hofetikette Folge zu leisten Außerdem benötigte er ein stilles Plätzchen, um die Wangenpflaster aus Tierhaut zu lösen und seinen Fliegen-Spionen Zugang zu ihrer liebsten Heimstatt zu gewähren.
Das Auge Comriks stellte keine Gefahr für sein Tun dar. Der Spion beobachtete, was er mit seinem Körper tat, und vergaß dabei völlig, sein Gesicht zu kontrollieren. Comrik war in der Tat leicht zu durchschauen und zu manipulieren.
Da saß Darnaus. Der Herrscher. Ein missmutig wirkender Mann, den die Jahre der Regentschaft in diesem elfenbeinernen Turm unempfänglich für die Bedürfnisse seines Volkes gemacht hatten. Die Augen waren geschwollen, Tränensäcke hingen schlaff herab und konkurrierten mit wabbelnden Hängebacken, die eine ungesunde Farbe aufwiesen. Alles an ihm war fett, fett, fett. Sogar die Worte, die der Oberste Mäzen von Zeit zu Zeit mit einem neben ihm stehenden Elefthi wechselte, hatten den Beigeschmack von Fettbatzen.
Dieser Mann hieß Belorion. Er war ein Emporkömmling. Einer, der am Futtertrog des Herrschers mitnaschen wollte und dabei die Prinzipien seines Volkes verriet.
Oder?
Molehibbon fühlte, dass etwas nicht stimmte. Belorion machte auf seine Spionfliegen ganz und gar nicht den Eindruck eines Elefthi - und Fliegen, die Tausende verschiedene Exkrementgerüche voneinander unterscheiden konnten, irrten äußerst selten.
Belorion flüsterte dem Obersten Mäzen etwas zu. Der Dicke schnaufte, und dieser einzige Atemzug führte dazu, dass er zu schwitzen begann. Eine Sklavin, die diesen Tag nicht überleben würde, wischte ihm mit einem Rosentuch die Stirn.
Eine Frau betrat den Raum. Die bezaubernde Sikhiom. Eine starke Persönlichkeit, die alles unternommen hatte, um Donautus, den Sohn des Obersten Mäzens, nach den Sitten der Bet- und Bettschwestern zu erziehen. Der junge Thronfolger schlich in ihrem Gefolge einher.
Da war die Opfergabe. Sie stand nahe dem Palastwunder. Eine reinrassige Menschin, wie Molehibbon mit wachsender Gier feststellte. Wenn er die Reste ihres Leichnams nach der Opferung in die Hände bekäme, um ihr die für einen Magier so begehrenswerten Innereien zu entnehmen ...
Darnaus erhob sich von seinem Thron, drei Höflinge halfen ihm hoch. Molehibbon hatte Mühe, die Worte von den prallen Lippen des Obersten Mäzens abzulesen.
»Mein Sohn ist bereit für die Machtübernahme«, sagte er. Mit Trippelschritten bewegte er sich auf den jungen Mann zu. »Wir werden das Zeremoniell beginnen. Der Rufer möge nun schweigen, damit wir die Aufgabe hinter uns bringen.« Er umarmte seinen Sohn, ohne Liebe und Zuneigung zu zeigen. Die beiden hatten sich seit mehr als fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen, seitdem die Vorgängerin Sikhioms den kaum dem Krabbelalter
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