Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
Vorbereitungsarbeiten für den Weitermarsch unbehelligt. Die meisten anderen Passagiere scharten sich um Zoe, deren Heldentat ein großes Gesprächsthema war. Die Freundin stand im Mittelpunkt einer großen Traube und fühlte sich sichtlich wohl.
»... die Fingernägel abgebrochen!«, klagte sie soeben. »Die vielen Rötungen und Schürfwunden! Hier, hier und hier! Hat denn niemand eine vernünftige Schutzcreme bei sich?« Sie rümpfte die Nase und deutete auf eine blaue Metalldose mit weißem, geschlungenem Schriftzug. »Ein derartiges Billigprodukt kann ich unmöglich an meine Haut ranlassen!« Zoe warf sich in Pose und zeigte bereitwillig ihre Kratzer her, die in keinem Vergleich zu dem Tamtam standen, das sie darum veranstaltete.
Einige Passagiere wandten sich enttäuscht ab. Die Zuneigung, die die Menschen angesichts ihres Husarenstücks in der Dünenwand entwickelt hatten, erkaltete rasant wieder.
Sie spielt ihre Rolle verdammt gut!, dachte Laura. Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich ihr die überkandidelte Blondine augenblicklich abkaufen. Doch das, was sie soeben geleistet hat, ist wohl die wahre Zoe. Eine Frau, die ihren Mann zu stehen weiß - und Fähigkeiten besitzt, die uns alle überrascht haben. Selbst mich ...
»Weiter geht's!«, rief Jack. Er winkte den Mitgliedern der kleinen Gruppe zu, ihm zu folgen. »Wir haben noch etwas mehr als vier Stunden Fußmarsch vor uns. Dann gibt's frisches Wasser - und mit ein wenig Glück auch feste Nahrung!«
Der Sky Marshal ging vorneweg, gefolgt von Andreas, Najid und Milt. Ihr Abgang ähnelte einer Flucht. Es war, als wollten sie vor lästigen Fragen ihrer Leidensgenossen davonlaufen.
Was, rätselte Laura, verbergen sie vor uns?
Der Marsch entlang der Abbruchkante der Endlosen Düne war beeindruckend - und kräftezehrend. Der Sandozean rechts von ihnen veränderte sich stetig. Dünen, vielleicht hundert oder mehr Meter hoch, zeigten sich in jeder möglichen Form. Sie fraßen einander auf, schwappten übereinander, kämpften um die Vorherrschaft inmitten des Sandmeers zu ihren Füßen.
Immer wieder trug der Wind feinen und glühend heißen Sand hoch. Die feinen Körnchen sammelten sich überall; in den Augenwinkeln, in Nasenlöchern, zwischen den Zähnen, in Falten. Hautstellen, deren Existenz Laura nicht einmal vermutet hatte, begannen unangenehm zu jucken und zu schmerzen. Sie ahnte die Gefahr. An gefährdeten Stellen wie zum Beispiel in den Achselhöhlen, zwischen den Beinen und am Hals scheuerte die Haut. Sie würde sich bald entzünden. Schon jetzt war jede Bewegung unangenehm. Körperschweiß band den Sand und buk die junge Frau allmählich in eine Schicht rötlichen Feinstaubs ein.
»Wo hast du das alles gelernt?«, fragte Laura und drehte sich dabei tunlichst vom Wind weg.
»Viel Sport. Viel Gymnastik. Wandertouren. Kletterwände.« Zoe blieb in ihren Antworten knapp. Sie hatte ihren Körper fest in Kleidung eingemummt und bewegte sich mit angesichts ihrer Körpergröße lächerlich anmutenden Trippelschritten.
»Das kaufe ich dir nicht ab! Ein jeder andere Mensch hätte sich in der Düne vor Angst in die Hosen gemacht; vor allem, als dieser Rimmzahn in Panik geriet und dich mit in den Abgrund reißen wollte.«
»Ich hatte einen guten Ausbilder, der mich lehrte, in derartigen Ausnahmesituationen klaren Kopf zu behalten.« Für einen knapp bemessenen Augenblick zeigte Zoe ihre strahlend weißen Zähne her. Bis sie es bereute und angewidert Sand ausspuckte.
»Er war einer deiner Liebhaber?«, setzte Laura nach.
»Einer der besten«, bestätigte Zoe. »Er hat mich in jeglicher Hinsicht gefordert - und gefördert. Ich verdanke ihm viel.«
»Und warum ist aus euch kein Paar geworden?«
»Das geht dich nichts an, meine Liebe«, sagte Zoe. Mit leiser Stimme fügte sie hinzu: »Das geht niemanden etwas an.«
Laura schwieg. Die Freundin, die sie so gut zu kennen geglaubt hatte, barg mehr Überraschungen, als sie sich jemals hätte vorstellen können.
Sie gingen nebeneinanderher und tauschten von Zeit zu Zeit die Plätze, um der jeweils anderen für eine Weile Windschutz zu geben. Die Minuten wollten nicht vergehen. Laura hatte Durst. Alle Gedanken waren auf ein paar Tropfen Wasser fixiert. Auf dieses kühle Nass, das vor dem Absturz so selbstverständlich und immer nur einen Wasserhahn weit weg gewesen war. Nun allerdings hing ihrer aller Leben davon ab, dass Najid sie nicht in die Irre führte.
Ein markanter Stein kam in Sicht, einem grob
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