Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
behauenen Obelisken nicht unähnlich, vielleicht drei Meter hoch. Er glänzte violett-schwarz im Sonnenlicht und reflektierte die Strahlen an seiner weitgehend glänzenden Oberfläche.
»Der Markierungsstein!«, rief Jack. Er deutete auf Najid. »Er hat ihn uns beschrieben. Hier biegen wir ins Innere der Endlosen Düne ab. Es ist nur noch ein Katzensprung bis zur Wasserstelle! Zweitausend Schritte!«
Sie passierten den Obelisken. Er war von oben bis unten mit geheimnisvollen Schriftzeichen übersät, die modernem Graffiti ähnelten. Ein Trampelpfad begann dahinter. Eine schmale Rinne, mindestens einen halben Meter tief, kennzeichnete den Einstieg. Generationen von Menschen mussten sie begangen haben.
Luca Müller torkelte plötzlich. Seine Mutter fing ihn auf, bevor er zu Boden fiel.
Laura eilte herbei, um ihr zu helfen. Sie erschrak, als sie das blasse, von tiefen Rinnen gezeichnete Gesicht und die schwarzen Augenringe des Jungen sah. Er war völlig dehydriert, seine Haut fühlte sich pergamenten an.
»Beten wir, dass wir tatsächlich Wasser finden«, sagte sie zu Milt, der sich nun ebenfalls neben Luca hinkniete.
»Hab ein wenig Vertrauen«, flüsterte der Australier. Er zog eine Thermosflasche aus seinem Rucksack, öffnete sie und träufelte dem Dreizehnjährigen einige Schlucke Wasser auf die aufgeplatzten Lippen.
»Ich dachte, wir hätten kein Wasser mehr?«, fragte Laura.
»Ich hab mir die letzte Reserve für den Notfall aufgehoben«, krächzte Milt. »Und wenn das kein Notfall ist, dann weiß ich nicht ...«
Luca schluckte hastig. Seine Augen, verdreht und in endlose Ferne starrend, fokussierten mit einem Mal wieder. Gierig zog er die Flasche an sich und trank aus, und auch, als kein Tropfen mehr herauskommen wollte, schluckte und schluckte er weiter. Angela sprach beruhigend auf ihn ein, nahm ihm die leere Flasche aus den Händen, streichelte liebevoll über sein Gesicht.
Laura sah sich erschrocken um. Sie blickte in graue und in rote Gesichter. Alle waren sie erschöpft, am Ende ihrer Kräfte. Dieser Marsch entlang der Kante der Endlosen Düne hatte ihnen die letzte Kraft abverlangt. Wenn sie Sugda verfehlten oder wenn es dort kein Wasser gab, würden sie ohne Ausnahme elend verrecken.
Najid wirkte vergleichsweise frisch und ausgeruht. Er wirkte asketisch und war gewiss ein Leben voll Entbehrungen gewohnt. Womöglich hatte er es von vornherein darauf angelegt, sie in die Erschöpfung zu treiben?
Nein!, sagte sich Laura. Für ihn sind wir nach wie vor wertvolle Ware. Er sieht uns als Kapital, das er keinesfalls in den Sand setzen wollte. In den Sand setzen ...
»Komm hoch, Junge!«, forderte Milt und half Luca auf. »Es ist nicht mehr weit. Kannst du gehen? Ja? Ich helfe dir, einverstanden?«
Zoe trat näher. Sie hauchte Luca etwas ins Ohr und machte sich dann auf den Weg, ging vor dem Jungen her. Ab und an drehte sie sich um, lächelte neckisch und achtete darauf, dass er hinter ihr blieb und wie magisch von ihr angezogen weitertrottete, den Blick auf ihren aufreizend wackelnden Po gerichtet.
»Was für ein raffiniertes Luder«, sagte Milton und schüttelte in gespielter Empörung den Kopf. »Sie gibt die Karotte vor der Nase des Esels.«
»Als ob du nicht genauso gern hinter Zoe herlaufen würdest!« Seltsam. Laura fühlte ein merkwürdiges Grummeln im Bauch. War sie etwa ... eifersüchtig?
»Ich weiß ganz genau, wem ich hinterherlaufen würde, und es ist gewiss nicht deine Freundin.« Sehr überzeugend klang das nicht, fand Laura.
Milt ließ sie stehen und reihte sich weiter vorn in die Gruppe der Schicksalsgenossen ein. Er half da und dort, sprach den älteren Mitgliedern der Schicksalsgemeinschaft Mut zu, fand sogar die Kraft für den einen oder anderen Scherz.
Laura beobachtete ihn und erkannte die Anzeichen der Müdigkeit. Auch der Mann von den Bahamas war am Ende seiner Kräfte angelangt. Doch da war etwas in ihm. Etwas Besonderes. Eine Quelle, aus der Milt tief schöpfte und die ihn befähigte, über alle Grenzen hinauszugehen.
Zweitausend Schritte, hatte Jack gesagt. Zweitausendmal ein Bein vor das andere setzen. So wenig - und doch so viel.
Der Boden unter ihren Beinen glühte. Die Sonne stand im Zenit. Ringsum war nichts, was Schatten oder Erholung bot. Laura bildete das Schlusslicht der kleinen Gruppe, und immer wieder musste sie Stolpernde oder völlig Erschöpfte auffangen, ihnen gut zureden und Mut einimpfen, bevor sie bereit waren, weiterzutorkeln, auf ein imaginäres
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