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Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme

Titel: Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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irritierend und betörend, umfing ihn. Ihre Augen waren geschlossen. Alles an ihr war Gier. Lust. Leidenschaft.
    Bis sie die Augen öffnete und sich bewusst machte, dass sie sich soeben einem Sklaven an den Hals hatte schmeißen wollen. Einer - wie hatte sie ihn genannt? - einer Menschenware.
    Sie lehnte sich zurück, wieder ganz Dame, wieder ganz Mitglied des hiesigen Hochadels. Sie zupfte lose herabfallende Haarsträhnen zurecht, fuhr mit den Fingern in einen kleinen Tiegel und schmierte mit der Creme den kahlen Teil ihres Schädels ein.
    »Das war ... gut«, sagte sie mit stockender Stimme. »Außergewöhnlich gut. So frisch und lebendig. Und du sagst, das Lied handelt von einer realen Person?«
    »Die Worte wurden von einem Dichter geschrieben, der in die Verlobte seines Bruders unglücklich verliebt war.«
    »Und er konnte sie niemals erobern?«
    »Nein. On Raglan Road liegt sehr, sehr nahe an der Wahrheit.«
    Gystia wirkte nachdenklich. »Ist es das, was euch Menschen ausmacht? Die Liebe zur ungeschminkten Wahrheit?«
    »Ich glaube nicht. Wir lügen und betrügen. Wir sind manchmal gut und manchmal schlecht. Wir verhalten uns durch und durch ambivalent.«
    »Aber ihr habt Vorstellungen von Moral, Ehre und Tugend, nicht wahr? Man trichtert euch ein, wie ihr euch zu verhalten habt.«
    »Selbstverständlich.«
    »Die Kinder der Stadt hingegen ...« Gystia wirkte in sich gekehrt und verletzlich. »Niemand sagt uns, was richtig oder falsch ist. Wir stellen die Regeln auf, und wenn sie uns nicht mehr passen, dann ändern wir sie nach unserem Geschmack ab.«
    Die Dame stand auf, ohne weiter auf ihn zu achten. »Ich muss nachdenken, Menschenware. Meine Diener sollen dir eine Nische zuweisen, in die du dich zum Ruhen zurückziehen kannst. Du darfst meinen Wohnturm vorerst nicht verlassen. Ich erwarte, dass du jederzeit zu meiner Verfügung stehst.«
    Sie schwebte über den Holzboden, der vor nicht einmal einer halben Stunde noch geöffnet gewesen war und einen Einblick in die Wasserwelt unterhalb der Stadt erlaubt hatte. Am anderen Ende des Raumes fiel ein Vorhang mit leichten, dünnen Stoffen herab. Er trennte einen Teil des Zimmers ab. Lichter dahinter ließen die schemenhaften Umrisse der Dame erkennen. Sie setzte sich in einen Stuhl mit breiten Lehnen und verharrte dort regungslos.
    »Komm mit mir, Menschenware«, sagte derselbe Gnom wie zuvor leise. »Es ist nicht gut, die Herrin allzu lange zu beobachten. Sie besitzt besondere Kräfte, und sie kann es fühlen, wenn sie gestört wird. Und glaub mir - sie ist schrecklich in ihrem Zorn.«
    Finn ließ sich an der Hand nehmen und zur Seite führen. Eine Nische tat sich unvermittelt auf, gerade einmal mannsgroß, in der Tücher ausgebreitet waren und ein wenig Nahrung auf einem Tablett auf ihn wartete.
    »Warum fürchtet man die Dame so sehr?«, fragte er, so leise er konnte.
    Der Gnom sah ängstlich in Richtung des Schlafgemachs Gystias, bevor er sich überwand und ganz, ganz nahe an Finns Ohr flüsterte: »Es sind ihre Unberechenbarkeit und ihr Jähzorn. Sie kann in einem Augenblick eine charmante Gastgeberin sein, um im nächsten ihr Gegenüber aufzufressen - und ich meine das durchaus wörtlich.« Ein Schaudern fuhr über den Körper des Kleinen. »Man weiß nicht, woran man bei ihr ist. Sie hat zwar ein kleines Vermögen für dich ausgegeben, und das wird sie womöglich daran hindern, leichtfertig mit deinem Leben zu spielen. Aber du darfst dir dessen niemals sicher sein. Verhalte dich unauffällig. Rede nur, wenn du gefragt wirst. Halte dich tunlichst von ihrem Bettlager fern. Sie stellt Dinge mit ihren Liebhabern an, die du nicht wissen möchtest. Und sei stets auf das Allerschlimmste vorbereitet.«
    Der Kleine tastete in einen Bauchbeutel und reichte ihm eine grüne, fingerkuppengroße Kugel.
    »Was ist das?«, fragte Finn, während er die Murmel in Empfang nahm.
    »Ein jeder von uns Haussklaven trägt diese Dinger bei sich. Wir nennen sie Gute Mutter.«
    »Und was können diese Guten Mütter?«
    »Sie töten; zumindest teilweise. Sie vernichten deinen Geist, während es den Anschein hat, als würdest du noch am Leben sein. In Wirklichkeit bist du nur eine leblose Hülle, mit der Gystia tun und lassen kann, was sie möchte.«
    Finn hätte die Kugel beinahe fallen lassen; doch der Gnom drückte seine Finger fest zusammen, sodass er sie in seiner Faust behielt.
    »Deinem Körper wird ein rascher Tod nicht vergönnt sein; dafür sorgt die Dame dank ihrer Kräfte,

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