Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
halten, andernfalls werde ich dich foltern lassen; Freuden hin oder her! Hast du mich verstanden?«
»Aber ich dachte ...«
»Ware hat nicht zu denken! Hat dir das Cronim etwa nicht beigebracht?« Zorneswolken verzogen und verzerrten ihr so hübsches, glattes Gesicht. »Du wirst mir zu Diensten sein, und darüber hinaus wirst du mich keinesfalls belästigen.«
»Aber wie soll ich dir denn ... Ich meine ...« Finn schwieg verwirrt. Was verlangte die Dame Gystia von ihm? Wie sollte er sie denn befriedigen, wenn sie ihn nicht an sich heranließ?
Sie stutzte - und begann dann zu lachen. Laut und kehlig, mit weit nach hinten gebeugtem Kopf. »Ach, du dummes Geschöpf!«, sagte sie, nachdem sie sich einigermaßen erholt hatte. »Dachtest du denn wirklich, dass ich dich gekauft hätte, um meine körperlichen Bedürfnisse zu stillen? Was bist du bloß für ein ahnungsloser Tor! Niemals würde eine Bewohnerin der Stadt, die etwas auf sich hält, ein Stück Ware an sich heranlassen. Schon der Gedanke daran ... brrr.« Sie schüttelte sich.
»Aber ... aber was willst du dann?«
»Dein wertvollstes Stück, wie ich bereits sagte.« Die Dame Gystia deutete mit einem ihrer langen, schlanken Finger in Richtung seines Kopfs. »Ich möchte haben, was sich da drin befindet. Man sagt, dass die Menschen die fantasievollsten Geschöpfe aller Welten seien. Du wirst Geschichten erfinden und mir erzählen.« Ihre Stimme nahm einen bedrohlichen Ton an. »Und sollte ich mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein, dann wirst du feststellen müssen, dass mein schlechter Ruf nicht nur auf Hörensagen beruht.«
Sie erreichten den Wohnturm der Dame. Er nahm sich bescheiden aus im Vergleich zu den neun beherrschenden Gebäuden dieser Stadt; doch im Inneren des einzigen, kreisrunden Raums zeigte sich ein Luxus, wie ihn Finn niemals zuvor gesehen hatte.
Das Zimmer maß mindestens fünfzig Meter im Durchmesser. Der Boden war mit schwarz und weiß glitzernden Perlenteppichen belegt, die Stuckatur bestand aus massivem Gold, deren Einlagen wiederum aus riesigen Edelsteinen. Wandteppiche, so fein gewoben, dass die Knoten mit freien Augen nicht erkennbar waren, zeigten Szenen aus einer womöglich kriegerischen Vergangenheit der Stadtbewohner. Das Porzellangeschirr war kunstvoll verziert, die intarsiengeschmückten Schränke von einer Detailgenauigkeit, dass Finn als Mann, der schon viele handwerkliche Berufe ausgeübt hatte, vor Ehrfurcht und Unglauben den Kopf schüttelte.
Bedienstete eilten umher; meist kleine und unbeholfen wirkende Gestalten. Alles in diesen Gemächern drehte sich bloß darum, der ehrenwerten Dame zu Diensten zu sein und ihr jedweden Wunsch von den Augen abzulesen.
»Setz dich dorthin!«, befahl Gystia und bedeutete Finn, in einem thronartigen Stuhl Platz zu nehmen. Ohne sich um seine Gegenwart zu scheren, ließ sie ihren weiten Umhang fallen. Sie war nackt darunter; ihre Oberschenkel waren tätowiert, ihr Po mit ähnlichen Zeichnungen verziert wie jene, die sich auf ihrem kahlen Kopf zeigten.
Sie tat ein paar Schritte in den Raum hinein und blieb dann stehen, ungeduldig wartend.
Zwei Gnomen wuselten herbei. Sie umrundeten die Dame und blieben dabei tunlichst außerhalb der Reichweite ihrer langen, schlanken Arme. Sie eilten auf eine brokatgeschmückte Säule zu, die die Mitte des Raums beherrschte, öffneten einen metallenen Kasten und zogen den Ausleger einer Kurbel hervor, die sie augenblicklich unter großem Ächzen und Jammern zu drehen begannen.
Der Boden schwankte leicht, und nach wenigen Sekunden erkannte Finn den Grund dafür: Die Hölzer unmittelbar vor der Städterin glitten nach links und nach rechts auseinander. Die Dame tat einen ersten Schritt in das neu entstandene Nichts - und trat in Wasser, das auf sie wartete. Mit nackten Beinen platschte sie in die Flüssigkeit, glitt immer tiefer, bis sie sich vorwärtswarf und mit kräftigen Schwimmzügen das mindestens zwanzig Meter lange Bassin durchquerte. Sie tauchte unter und kehrte erst nach langen Sekunden wieder an die Oberfläche zurück - und sie tat dies in Begleitung eines fischähnlichen Geschöpfs, das entfernt an einen Delfin erinnerte, jedoch bestenfalls halb so groß war.
Die Dame ließ ihr Haar nach hinten klatschen und blickte Finn interessiert an. »Du wunderst dich? Wusstest du denn nicht, dass sich unter dem Wüstenboden riesige Wasserblasen befinden? Wir haben sie mithilfe artesischer Brunnen angebohrt und verwalten sie sorgfältig.« Die Dame
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