Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
Armbewegungen. »Also lief ich davon, in die Amethyst-Wüste hinein, ohne Plan und ohne Ziel. Und als ich wieder zu mir kam, war ich mutterseelenallein, inmitten des Nirgendwo.«
Er deutete auf seine Beine, die Millimeter für Millimeter tiefer rutschten. »Wenn du mich aus meiner misslichen Lage befreien könntest, würde ich dich gern begleiten, um dir und deinen Freunden mein kleines Missgeschick zu erklären ...«
»Ein kleines Missgeschick, soso. Du hast dich also verirrt. Du, ein Bewohner der Wüste. Und zu allem Überdruss bist du auch noch in dieses Loch da gestolpert, in dieses ... dieses ...«
»Es handelt sich um ein Qwisha! Um den unterirdischen Festungsbau eines nomadisierenden Ameisenvolks. Ich hätte es erkennen müssen anhand der Verfärbung des Untergrunds, als ich hier übernachten wollte, in der Dunkelheit und allein. Ich war wohl nicht vorsichtig genug.«
»Ein richtiger Wüstensohn würde einen derartigen Fehler niemals begehen, nicht wahr, Najid?«
»Die Sandameisen sind unberechenbar, und sie legen ihre Wanderbauten an den unmöglichsten Stellen an. Hilf mir nun bitte, Frau; ich spüre ein unangenehmes Kribbeln unter meinen Füßen.«
»Ein Kribbeln verspüre ich ebenfalls, und zwar in meinen Händen, du unverschämter Kerl! Du verdienst eine ordentliche Tracht Prügel! Weißt du denn überhaupt, wie ich heiße? Oder ist dir bloß in Erinnerung geblieben, dass ich eine Menschenware bin?«
»Gewiss hast du einen Namen, und ich würde mich auch daran erinnern, wenn da nicht dieses Zwicken und Zwacken wäre, das mich zunehmend nervös macht.« Najid streckte eine Hand nach ihr aus. Die Bewegung bewirkte, dass er weitere fünf Zentimeter tiefer sackte und nun fast bis zur Brust im Sand steckte.
Der junge Sklavenhändler konnte seine Angst nur unzureichend vor ihr verbergen. Die Arme zitterten, die Wurmzunge leckte immer wieder über die spröden, aufgerissenen Lippen, und die verschlungenen Symbole der Tätowierung in seiner rechten Gesichtshälfte bewegten sich weiterhin, als entwickelten sie ein Eigenleben.
»Wir unterhalten uns ein wenig, dann helfe ich dir vielleicht«, sagte Laura.
»Wie kannst du bloß so grausam sein, Weib?« Wut blitzte in Najids Augen, doch nur wenige Momente später gab er sich wieder zuckersüß und verlegte sich aufs Argumentieren. »Vertrau mir! Ich schwöre dir, dass ich all deine Fragen beantworte. Ich laufe gewiss nicht mehr davon; ich habe meine Lektion gelernt.«
»Mag sein, mag sein. Aber ich bin bloß ein tumber Mensch. Eine Ware, die gelernt hat, misstrauisch zu sein.« Laura lächelte, und sie hoffte, dass ihr oft geübtes Raubtiergrinsen den richtigen Eindruck auf ihr Gegenüber machte. »Also nochmals: Wie kommt es, dass ein Wüstennomade derart tollpatschig in eine Falle tappt?«
Najid sträubte sich zu reden. Er setzte an, überlegte es sich dann doch wieder, öffnete ein weiteres Mal den Mund - und seufzte tief auf, ohne ein Wort zu sagen.
Der Seufzer, das etwas heftigere Ausatmen, ließ ihn weitere Zentimeter tiefer rutschen.
»Soll ich dir sagen, was ich sehe, mein Kleiner?« Laura ging in die Hocke, wenige Meter von Najid entfernt. Sie achtete tunlichst darauf, nicht zu nahe an den Rand jenes Trichters zu gelangen, der sich rings um den Jüngling bildete. »Ich sehe einen verweichlichten Burschen mit schlechten Sitten. Einen, dessen Hände schmal und gut gepflegt sind. Najid, dein Körper - zumindest das, was derzeit noch zu sehen ist - ist schmal und nicht sonderlich muskulös. Deine Haare, soweit erkennbar, sind fein säuberlich gestutzt, und könnte ich deine Zehen sehen, würde ich wohl die sorgfältige Arbeit einer Fußpflegerin erkennen.« Laura lächelte. »Du bist alles, nur kein Wüstennomade. Du bist ein verwöhnter, kleiner Bengel, der im Luxus aufgewachsen ist.«
»Bin ich nicht!«, stieß Najid heftig hervor. »In meiner Ahnenreihe finden sich die bedeutendsten Jäger und Händler der Amethyst-Wüste! Mein Vater, dessen Vater und deren Ahnen erforschten dieses Land und machten es sich Untertan. Sie kennen alle Notunterschlupfe, die Jagdreviere der gefährlichen Wüstenräuber, die alten und die neuen Karawanenrouten, die Wildwechsel, die Winde, die Wasserstellen ...«
»Was interessieren mich deine Vorfahren? Mag schon sein, dass sie einstmals die Wüste beherrschten. Du aber bist hier fast so fremd wie wir Menschen.«
»Das ist nicht wahr!«, brüllte Najid unbeherrscht - und rutschte so weit ab, dass ihm der Sand nun bis
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