Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
und zog und zog und schwitzte. Ihre Oberarme schmerzten, und sosehr sie sich auch bemühte, festen Halt zu bekommen, rutschte sie doch immer wieder durch.
»Komm schon!«, forderte Najid sie auf, wieder mit unsicher klingender Stimme. »Fester! Rascher! Der Boden unter mir gibt immer schneller nach! Die Sandameisen ... Autsch!«
Laura stemmte sich einmal mehr in den sandigen Boden. Zog durch. Griff nach, immer wieder, und rutschte dabei selbst näher auf diese teuflische Falle zu, woraufhin sie erneut einen Schritt zurück tun und wieder von vorn beginnen musste.
Ein Ruck.
Rings um Najid flossen große Mengen Sand ab. Wie in einer Sanduhr mit plötzlich vergrößertem Durchmesser.
»Mach, mach, mach!«, schrie Najid in Panik, ließ mit einer Hand los und vollzog hastige Schwimmbewegungen, als drohte er zu ertrinken.
Laura zog. Rutschte weg. Glitt nach vorn, ging zurück, musste immer rascher treten, musste nun selbst gegen den Sog des Qwisha ankämpfen. Feuerrote, fingerlange Ameisen waren plötzlich überall. Wie Soldaten standen sie da, das vordere Beinpaar weit erhoben und damit in ihre Richtung drohend. Hunderte von ihnen zeigten sich im Sand. Tausende. Myriaden. Sie wollten diese Beute unter keinen Umständen mehr hergeben. Dieses saftige Stück Fleisch, das ihre Königin und das Volk womöglich über Monate hinaus sättigen würde.
Laura setzte alles auf eine Karte. Sie trat, so nahe sie es sich selbst gegenüber verantworten konnte - und noch einen Schritt weiter an die Kante des Qwisha heran und zerrte nun am wesentlich robusteren Hosenbein. Sie legte all ihr Gewicht und all ihre Kraft in diesen einen Versuch. Versuchte, Najid in einem letzten, verzweifelten Kraftakt freizubekommen. Der Rücken, die Arme, der Nacken; alles war zum Zerreißen gespannt, jeder Muskel schmerzte - und plötzlich, völlig überraschend, war da kein Widerstand mehr. Der Möchtegern-Sklavenhändler schoss auf sie zu, keine fünfundfünfzig Kilogramm schwer, wie der Korken aus einer Sektflasche.
Laura stolperte rückwärts, fiel hin, kam wieder auf die Beine, zog weiter, raffte ihre Kleidung zusammen, so lange, bis sie sie ganz nahe bei sich hatte - und Najid ebenso. Gemeinsam taten sie einige weitere hastige Schritte rückwärts, um, endlich aus der Gefahrenzone gelangt, zu Boden zu plumpsen. Aufeinander. Wie ein Liebespaar, das sich innig umarmte.
Für einen Moment verharrten sie so. Erschöpft und glücklich, der Gefahr entronnen zu sein. Bis sich Laura ihrer Situation bewusst wurde.
»Bäh! Runter von mir!«, rief sie und stieß Najid von sich.
»Auch bäh! Du bist ja fast nackt!«
»Warum, glaubst du, habe ich dir befohlen, die Augen geschlossen zu halten? Und du hast meine Anweisungen nicht befolgt.«
»Wie hätte ich mich denn sonst frei strampeln sollen? Ohne zu wissen, wo ich hinsteigen muss? Außerdem bist du das hässlichste Wesen, das ich jemals zu Gesicht bekommen habe. Wo sind die Hautrunzeln, wo die Streichelhaare zwischen Becken und Knie, wo das Fett zum Kneten? Ich glaub, ich muss mich übergeben ...«
»Na, hör mal! Du hast wohl noch nie eine nackte Frau gesehen ...«
»Frauen schon; aber kein Wesen wie dich, dessen Haut völlig faltenfrei liegt. Bleib mir bloß vom Leib! Da hast du dein Gewand zurück!«
Najid warf ihr angewidert die miteinander verknoteten Kleidungsstücke zu und wischte sich die Hände an einem Stück Stoff ab, als hätte er in ein Hundehäufchen gegriffen. Er drehte sich beiseite und zeigte dabei einen völlig glaubwürdigen Gesichtsausdruck. Es ekelte ihn wirklich!
Laura entwirrte Bluse wie Hose und zog sich rasch an. »Du kannst wieder hersehen«, sagte sie zum Jungen. »Meine ... Hässlichkeit ist wieder verborgen.«
»Den Sandgöttern sei Dank!« Najid schüttelte den Kopf. »Sobald wir in der Stadt sind, solltest du unbedingt einen Schamanen aufsuchen. Er muss dir ein rasch wirkendes Haarwuchsmittel zusammenmengen.«
Laura wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Danke für diesen Ratschlag; aber ich glaube, ich möchte so bleiben, wie ich bin. Wir Menschen haben eine gänzlich andere Vorstellung von Schönheit als ihr.«
Najid nickte. »Ich verstehe. Das ist wohl einer der Gründe, warum ihr nichts anderes als Ware seid.«
»Hüte deine Zunge, mein Freund! Du erinnerst dich, was du mir versprochen hast?«
»Dass ich mit dir zu deinen Kameraden zurückkehren und weitere Fluchtversuche unterlassen werde. Mit keinem Wort aber habe ich gesagt, dass ich meinen
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