Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
...«
»Lass ihn!« Laura schob sich zwischen die beiden so unterschiedlichen Gestalten. »Wir sollten die Reise so rasch wie möglich fortsetzen, nicht wahr?«
Jack blieb ruhig und starrte an Laura vorbei in die eintönige Wüstenlandschaft. Sie fühlte, wie sehr es im ehemaligen Sky Marshal arbeitete. Seine Finger nestelten umständlich am Hosenbund, verdächtig nahe am Griff seiner Waffe.
Was war in der Zwischenzeit geschehen? Warum reagierten die Menschen so nervös?
Milt zog sie beiseite, während sich Jack nach wie vor eindringlich mit Najid unterhielt. »Probleme«, sagte er, sobald sie sich außer Hörweite der anderen Menschen befanden. »Es wurde gestohlen. Wasser, Nahrung, Kleidung. Und zwar nicht zu knapp. Das war auch der Grund, warum dein Verschwinden vorerst unbemerkt blieb.«
»Gibt es einen Verdacht, wer der Täter gewesen sein könnte?«
»Einen?« Milt lachte. »Jeder beschuldigt jeden. Maurice Karys macht Familie Müller verantwortlich, Norbert Rimmzahn wiederum beschuldigt die beiden Passagiere aus Reihe sechs - du kennst sie? Gloria wäre sich mit der Frau im Senfkostüm fast in die Haare gekommen, und nun, da Najid aufgetaucht ist, wird wohl bald er den Sündenbock abgeben. Einerlei, ob er in der Nähe war oder nicht; wir sind alle derart überreizt, dass der kleinste Funken eine gewaltige Explosion auslösen könnte. Jack und Andreas haben die Lage kaum noch unter Kontrolle.«
»Kein Wunder«, murmelte Laura.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Ich habe dir gesagt, was hier vor sich geht. Nicht jedermann hier ist das, was er zu sein scheint. Die Menschen fühlen, dass etwas in der Gruppe nicht stimmt. Dass Wesen unter uns sind, die nicht hierher gehören, die ...«
»Ach herrje!« Milt seufzte. »Zoe hat mir von eurer kleinen Unterhaltung erzählt. Von deinen angeblichen Beobachtungen während der letzten Nacht.«
»Hat sie das, diese Tratschgans? Ihr beide müsste euch ganz schön nahestehen, dass sie ein vertrauliches Gespräch einfach so weitergibt.«
»Sie macht sich Sorgen und wollte deshalb meine Meinung hören ...«
Laura wollte sich nicht länger ärgern, wollte sich nicht länger mit den vielen schlechten Charaktereigenschaften ihrer Freundin beschäftigen. Sie änderte abrupt das Thema. »Du warst es doch, der uns den Weg durch die Wüste wies, nicht wahr? Du meintest, dass wir in Richtung Gebirgszug ziehen sollten.«
»Ja. Und?«
»Du warst dir derart sicher, dass wir Najid und die Stadt der goldenen Türme finden würden ... Warum? Etwa, weil du etwas wusstest?«
»Ich verstehe dich nicht ...
»Weil du über besondere Wahrnehmungsmöglichkeiten verfügst, mit deren Hilfe du den Sklavenhändler ausfindig machen konntest?«
»Hör auf, dich über mich lustig zu machen!« Milts Gesieht verfärbte sich rot vor Zorn - oder etwa, weil er sich ertappt fühlte?
Sie starrten sich an, sekundenlang. Laura fühlte sich unwohl wie selten zuvor in ihrem Leben. War der Mann von den Bahamas denn tatsächlich ein Elf, wie Najid gemutmaßt hatte? Oder verdächtigte sie ihn zu Unrecht, beraubte sie sich soeben für alle Zeiten der Chance, diesen charmanten, gut aussehenden Kerl für sich zu vereinnahmen?
»Na schön«, sagte Milt und blickte betreten zu Boden. »Ich ... ich habe gelogen. Ich hatte keine Ahnung, wohin wir gehen sollten. Mein Spürsinn ist bei Weitem nicht so gut ausgeprägt, wie ich dir erzählt habe.«
»Und warum? Weil du ... weil du ...?
»Nein, ich bin kein fremdes Wesen. Kein Geist, kein Vampir, kein Was-auch-immer.« Milt lächelte. »Meine Schuld besteht darin, dass ich etwas vorgetäuscht habe. Weil ich uns allen ein Ziel geben wollte. Also habe ich behauptet, zu wissen, wohin sich Najid wenden würde.«
Laura sah Milt tief in die dunkelgrünen Augen und versuchte zu erkennen, ob er log.
Sie sah ... nichts.
Doch sie spiegelte sich in den Pupillen, und das war ein mehr als beruhigendes Indiz für sein Menschsein. Erleichtert atmete sie durch. Impulsiv, ohne lange nachzudenken, strich sie ihm eine störrische Haarsträhne aus dem Gesicht, um gleich darauf, erschrocken über ihren Wagemut, die Hand zurückzuziehen.
Ihr Gesicht brannte, und sie wandte sich ab. Sie konnte fühlen, wie nun sie ihrerseits rot anlief.
Sie musste sich ablenken, rasch! Da war noch dieser eine Gedanke gewesen, der an ihr nagte. Dieser seltsame Verdacht ... »Gibt's einen Grund, warum du uns hierher führen wolltest?«
»Ich verstehe nicht.« Er lächelte unsicher.
Hatte ihm
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