Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
Alb-Elf! Dass mir das noch nie aufgefallen ist ...«
Sie redeten weiter. Sprachen über die Bücher Tolkiens und Terry Pratchetts, über den »Mittsommernachtstraum« von Shakespeare, über Wechselbälger und über Waldlichtungen, auf denen sich Elfen und Feen den Menschen bevorzugt zeigten ...
Nach einer Weile winkte Laura resigniert ab. »Das bedeutet: Wir wissen so gut wie nichts über sie. Wahrscheinlich sind die Menschen ihnen schon früher begegnet, sonst hätten sie keinen Eingang in unsere Sagenbücher und Erzählungen gefunden. Aber, und das erscheint mir wichtig: Die Beschreibungen sind uneinheitlich. Sie können liebenswerte Geschöpfe sein - und schreckliche Gegner. Manche sind groß, manche klein. Edel - verschlagen. Ehrlich - hinterfotzig. Freunde - Feinde. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.«
»Womit wir dann wieder am Anfang wären«, sagte Zoe.
»Nicht unbedingt.« Laura nickte in Richtung Cwyms, der die Spitze des kleinen Zugs übernommen hatte und nach kurzem Überlegen die Richtung wies. »Wir dürfen ihnen unter keinen Umständen vertrauen. Ihr Wort ist die Spucke nicht wert, die sie dabei verwenden. Wir müssen stets darauf gefasst sein, dass sie sich gegen uns wenden.«
Zoe grinste müde. »Aber einem Abenteuer mit diesem Knaben wäre ich nicht abgeneigt. Wenn er alles an seinem Körper auf Befehl verändern oder wachsen lassen kann ...«
»Ferkel!«
»Aber geh! Ich denke bloß an meine Gesundheit, und Sex ist nun mal ...«
»Ist schon gut!«, unterbrach Laura die Freundin. »Können wir uns wieder ernsthaften Themen widmen?«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel der Frage, wer von unseren Begleitern noch zu den Elfen gehört. Und warum sie es weiterhin vorziehen, anonym zu bleiben. Warum haben sie kein Interesse daran, mit ihren Artgenossen Kontakt aufzunehmen und sich mit ihnen zu verbünden?«
Zoe schwieg, und es war ihr deutlich anzumerken, dass ihr Interesse an dem Gespräch schwand. Sie stocherten im Dunkeln. Es existierten zu viele Unbekannte, und sie wussten zu wenig über die Mechanismen dieser Welt.
Laura winkte Najid herbei. Der Junge trottete seit geraumer Zeit in Respektsabstand hinter ihnen her und blickte verdrießlich vor sich hin. Er kam näher.
»Ich möchte, dass du Cwym und Bathú unterstützt!«, befahl sie ihm. »Sie wirken unsicher. Mag sein, dass sie einen guten Orientierungssinn besitzen und die Richtung, in der die Stadt liegt, bestimmen können. Aber ich möchte, dass du sie kontrollierst. Und kennenlernst. Beobachte sie, freunde dich mit ihnen an ...«
»Ich soll mich mit einem Elfen anfreunden?«, unterbrach Najid. »Niemals!«
»Ich befehle es dir.«
»Ich ... ich ...«
Der Sklavenhändler rang mit sich. Die Muster seiner Gesichtstätowierungen veränderten sich, und beinahe wirkte es so, als würden sie sich in nichts auflösen.
»Ich gehorche«, sagte er schließlich mit hochrotem, vor Anstrengung verzerrtem Gesicht.
»Na, siehst du - es geht ja! Und jetzt husch, husch' Mach dich an die Arbeit!«
Najid eilte davon. Seine Bewegungen wirkten unkoordiniert. Nach wie vor kämpfte er dagegen an, Befehle von Laura entgegennehmen zu müssen - und konnte dennoch nichts dagegen tun.
Innistìr, so fühlte Laura, veränderte die Menschen. Es waren nicht nur die Umstände, an die sie sich anpassen mussten. Da war noch mehr. Ein Einfluss, der aus einem Löwen einen Angsthasen und aus einer furchtsamen Maus ein wagemutiges Persönchen machte.
Nur eines bleibt gleich, sagte sich Laura deprimiert und rieb sich den eben mal wieder lädierten Unterschenkel. Ich benehme mich so ungeschickt wie eh und je.
Nach einer Weile wechselten sie auf das Deck des Sandseglers. Die Elfen und Najid verstanden es, dank ihrer Zusammenarbeit das aus morschem Holz zusammengezimmerte Fahrzeug mit deutlich höherer Geschwindigkeit voranzutreiben und es zudem zu stabilisieren. Laura blieb es rätselhaft, wie sie es schafften, das Gefährt trotz des abflauenden Windes und der altersschwachen Planken, die mit ihren bescheidenen Möglichkeiten aneinandergebunden worden waren, mit mehr als fünfzehn Stundenkilometern dünenauf und dünenab zu treiben.
»Magie«, war die Erklärung, die Najid ihr gab. »Einige wenige Handbewegungen, möglichst präzise ausgeführt. Der Glaube daran, Dinge erzeugen zu können, die eben noch nicht da waren. Uraltes Wissen, das innerhalb der Familie oder des Stammes weitergegeben wird. Sowie viele andere Faktoren, die zu kompliziert sind, um sie dir
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