Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
aussiehst.«
»Tu ich das?« Zoes Gesicht erhellte sich für einen Moment, bevor sich das Modell wieder zerknirscht gab. »Es tut mir so leid, dass ich dich nicht ernst genommen habe.«
Laura seufzte. »Ich werde selten ernst genommen. Mit einem Spitznamen wie Donalda die Pechvogelin erfährt man üblicherweise kaum den gebührenden Respekt.«
»Mich hat man früher Bohnenstange genannt.« Zoes Stimme war leise, zittrig. »Und später, als ich zu modeln begonnen habe, Buliminchen. Und das waren noch die harmlosesten Begriffe, mit denen man mich bedacht hat, selbstverständlich hinter meinem Rücken.« Sie schluckle und brachte ein trauriges Lächeln zustande. »Sei bloß froh, dass man dir ehrlich ins Gesicht sagt, was man von dir hält.«
»J... ja.«
Es war alles bloß eine Frage der Perspektive. Zoe mochte als hübsche und begehrenswerte Frau gelten. Doch der Job als Model brachte Härten mit sich, die sich ein Außenstehender kaum vorstellen konnte. Ich bin vermessen, sagte sich Laura, wenn ich meine kleinen Ungeschicklichkeiten als ernst zu nehmendes Problem ansehe.
Sie trat auf Zoe zu und umarmte sie impulsiv. Die Freundin wirkte im ersten Moment überrascht - und gab dann dem Druck ihrer Umarmung nach.
So blieben sie stehen, minutenlang, selbstvergessen. Bloß glücklich, einander als Freundinnen wiedergefunden und ein Problem, das eigentlich gar keines war, aus der Welt geschaffen zu haben.
14
Bettgeflüster
D ein Menschsein tut mir weh«, sagte die Dame Gystia und drehte ihm den Rücken zu, während kleine, dienstbare Geisterchen Finn umflatterten und Schicht um Schicht einer wohltuenden Creme auf seinen nackten Körper auftrugen. »Es packt mich, sticht und rührt in meinem Inneren um, sodass ich meine, Schmerz zu empfinden.« Leiser fügte sie hinzu: »Angenehmen Schmerz. Wie jenen beim Kleinen Tod. Du weißt, was ich meine?«
»Nein. Ja. Ich vermute es.«
Nach wie vor blickte ihn die Dame nicht an. »Ich wehre mich gegen das Zuviel an Wirkung. Ich mag es nicht, von einem Wesen wie dir abhängig zu sein. Du bist Fleisch. Ware. Du bist zu minder, um ohne meine Erlaubnis auch nur das Wort an mich zu richten. Und andererseits sagt mir etwas, dass diese Gedanken falsch sind. Etwas, das du mir eingeimpft hast.«
»Ich habe nichts getan ...«
»Schweig!«
Da war sie wieder; jene herrschsüchtige, unnahbare Gystia, die kein Widerwort duldete - und erst recht nicht das eines minderen Wesens.
»Schon lange munkelt man, dass ihr Menschen Gaben besitzt, gegen die wir Bewohner der Stadt so gut wie wehrlos sind. Früher einmal, als Innistìr noch nicht derart abgeschottet war und regen Kontakt mit den Bewohnern anderer Sphären hatte, waren wir womöglich immun gegen eure Wirkung.« Sie schüttelte den Kopf und zündete mit einem Fingerschnipsen ein Feuer an. Es entstand unmittelbar vor ihr. Flammen umtanzten sie und hüllten ihren Leib ein. »Ich kann mich, ehrlich gesagt, an diese Zeit nicht mehr erinnern. Ich bin alt. Älter, als du vielleicht denkst. Aber wir vergessen rasch. Unsere Gedanken sind flüchtig. Sie fliehen uns, können nur mit Mühe festgehalten werden.«
Gystia schweifte ab und verlor sich in Selbstgesprächen, die für niemanden bestimmt waren und keinesfalls für seine Ohren. Sie vergaß seine Anwesenheit. Redete von ihrem Bruder, dem skrupellosen Narren. Vom Neffen, einem verzogenen Bengel. Von Konkubinen, die sie geliebt hatte und deren Häute sie abgezogen hatte, um aus ihnen wollig weiche Bettüberzüge machen zu lassen. Von Sünde, Rache, Untaten, von Gutem und von Schlechtem. Es war eine Litanei. Eine Lawine an Informationen, die Finn kaum in der Lage war zu erfassen, geschweige denn sie zu verarbeiten. Sie beinhalteten einen großen Krieg und Eroberungen. Kämpfe um den kristallenen Palast der Goldenen Stadt. Die Errichtung einer Kultur, wie sie in Innistìr einmalig dastand.
Und dann war da die Eroberung eines Kultobjekts, des Palastwunders, das die Privilegien der Städter für alle Zeiten einzementierte; und dieses »für alle Zeiten« war angesichts der langen Lebenserwartung der Bewohner wortwörtlich zu verstehen.
Irgendwann einmal wagte es Finn, die Dame Gystia zu unterbrechen. »Warum erzählst du mir das alles?«, fragte er.
Sie verkrampfte einmal mehr. Es fiel ihr nach wie vor schwer, ihn anzuerkennen. Ihn als gleichberechtigten Gesprächspartner zu akzeptieren.
»Du sollst wissen, was ich soeben verliere«, antwortete sie nach geraumer Weile. »Ich
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