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Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme

Titel: Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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beginne, die Dinge aus einem verschobenen Blickwinkel zu sehen. Aus deinem Blickwinkel. Und ich ahne, dass dieser der richtige ist. Was wiederum bedeutet, dass meine Privilegien und die der anderen Städte auf ... unmoralischen Vorstellungen beruhen.«
    Die Dame Gystia drehte sich endlich zu ihm um, umlodert von blaugelben Flammen, die nun hoch und höher schlugen, ohne den Holzvertäfelungen ringsum etwas anhaben zu können. »Ich hasse dich dafür!«, schrie sie Finn an. Gefrorene Spinnennetze sonder Zahl fielen auf ihn herab, prallten von seinen zum Schutz erhobenen Armen ab und erzeugten ein unangenehmes Prickeln auf seiner Haut. »Du hast mir all meinen Mut und meine Zuversicht genommen!«
    Finn wich zurück. Er sah den Wahn in den Augen seines Gegenübers. In Augen, die rot glühten und ihr wahres Alter andeuteten, das in Jahrhunderten gemessen werden musste, wenn nicht gar mehr.
    »Ich sollte dich dafür töten, du Kretin!« Gystia stürzte auf ihn zu, nach wie vor von diesen unheiligen Flammen umgeben. Sie umfasste ihn, ließ ihn ihre Wut und ihre Unberechenbarkeit spüren. Es gab nichts, womit er sich gegen dieses Ungetüm wehren und gegen es bestehen konnte. Er war nur ein Mensch, dessen einziger Zauber darin bestand, Gefühle zu zeigen und weiterzugeben ...
    »Ich liebe dich«, log er, zog die Dame an sich und küsste die lichterloh brennenden Lippen. So lange, bis die Hitze weniger wurde. Und dann nach Salz zu schmecken begannen, nach dem Salz der Tränen aus ihren Augen.

    »Du weißt, dass der Zauber, den du auf mich ausübst, nicht allzu lange anhält«, sagte Gystia. »Nach einer Weile werde ich wieder zu jenem Geschöpf, das ich immer war und immer sein werde.«
    »Ich weiß.« Finn war erschöpft. Es war schier unmöglich, die Lust dieser Frau zu befriedigen; und wenn er nachließ, wenn er ihr nicht mehr das geben konnte, wonach sie gierte - dann neigte sich diese unmögliche Partnerschaft ihrem Ende zu.
    »Dann rede jetzt.« Gystia streichelte über seine glatte Brust. »Sag, was du von mir willst.«
    »Du bist die begehrenswerteste Frau, die ich jemals kennengelernt habe ...«
    »Ich sehe die Lüge.« Die Dame lächelte. »Aber sie schmeichelt mir.«
    Konnte er ihr weit genug vertrauen? Würde sie verstehen, was er von ihr forderte?
    Gab es denn Alternativen? Bislang hatte er von der Stadt reichlich wenig zu sehen bekommen. Er wusste zwar, auf welcher Basis sie errichtet war. Doch jene Nuancen, nach denen das gesellschaftliche Leben hier ausgerichtet war, würde Finn niemals begreifen. Er benötigte Hilfe; und wer konnte ihm mehr Unterstützung bieten als die Dame Gystia?
    »Ich bin nicht allein hier angekommen«, begann er vorsichtig. »Ich hatte Freunde. Wegbegleiter. Andere Menschen ...«
    »... die ebenfalls am Sklavenmarkt angeboten und um gutes Geld in einige der vornehmsten Häuser verkauft wurden«, ergänzte sie.
    »Du verstehst, dass ich das nicht hinnehmen kann? Dass es falsch ist, Wesen als Ware und als Eigentum zu betrachten?«
    »Ja, ich verstehe. Solange du bei mir bist und mir gibst, was ich benötige.«
    Finn beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. »Ich habe ein Ablaufdatum, Gystia. Ich habe gerade mal noch etwas mehr als dreizehn Wochen zu leben. Dann wird mich diese Welt hier besiegt haben.«
    Die Dame nickte und tastete über seine Oberschenkel. »Ich ahne es. Ich kann den nahenden Tod spüren.« Ihr Gesicht blieb ausdruckslos.
    »Meine Freunde und ich, wir hängen an unserem Leben. Wir möchten zur Erde zurückkehren.« Er packte sie an den Handgelenken und warf sie auf den Rücken, um sich auf sie zu setzen. Noch vor einem Tag hätte sie ihn für eine derartige Tat auf die grausamste erdenkliche Weise töten lassen, doch nun ließ sie es geschehen. »Wir möchten ergründen, warum wir hierher verschlagen wurden - und wie wir einen Weg zurückfinden. Du hast die Wahl, Gystia: Möchtest du, dass ich hierbleibe bis zum Ende meiner ... Ablauffrist? Oder willst du, dass ich die Chance auf mehr Zeit, auf mehr Leben habe?« Er näherte sich ihrem Gesicht und küsste sie auf Nase und Mund. »Ahnst du, was Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit sind? Spürst du diese Dinge? Möchtest du mir helfen - und mich gleichzeitig verlieren?«
    Sie sah ihn an. Verletzt. Zornig. Traurig.
    Um ihn dann von sich zu stoßen und sich zur Seite zu drehen. »Ich muss nachdenken«, sagte sie nach einer Weile mit kalter, unbeteiligt wirkender Stimme. »Lass mich nun allein. Ich gebe dir Bescheid, wie

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