Schattenlord 3 - Herrscher de Drachenthrons
trotzdem rückte sie nicht davon ab.
»Du bist traurig wegen Zoe, nicht wahr?«, fragte er auch nicht zum ersten Mal.
»Ja.« Keine Lüge, aber auch nicht die Wahrheit. Sie war nicht traurig, sie fühlte sich schuldig. Zum Greifen nahe war Zoe gewesen, und sie hatte sie eingetauscht wie eine Ware.
Ich hätte den Trick des Schattenlords durchschauen müssen, dachte sie. Es war Unsinn, so zu denken, das war Laura klar, aber sie kam nicht davon los. Sie hatte ihre Freundin verraten, hatte ein Leben gegen ein anderes abgewogen und dann, basierend auf Halbwissen und Hoffnung, entschieden, dass das eine in geringerer Gefahr als das andere war. Sie hatte es sich einfach gemacht, aber nicht an Zoe gedacht, wie sie es hätte tun sollen, nein, müssen.
Sie hatte Zoe verraten.
Und das Schlimmste ist, dachte sie, während die Hügelkuppe langsam näher kam und um sie herum die Ersten zu keuchen begannen, dass ich in der gleichen Situation wieder so handeln werde. Ich würde mich immer gegen die Person entscheiden, die nicht in diesem Moment vor meinen Augen sterben muss.
Sie fragte sich, ob der Schattenlord diese Schwäche in ihr gespürt hatte, und dann wieder, warum ihn das überhaupt interessierte.
Aus reiner Grausamkeit, antwortete eine Stimme ihr, aber sie lehnte die Antwort ab. Jeder hatte ein Ziel, ob Mensch oder Elf oder Zentaur. Aus reiner Grausamkeit handelten nur Verrückte, und sosehr sie die Stimme des Schattenlords besudelt hatte, verrückt war er nicht. Er wusste genau, was er tat - und was er ihr und Zoe antat.
Jack und Andreas erreichten die Hügelkuppe als Erste. Laura sah, wie sie stehen blieben und nach vorn starrten, wie sich ihre Rücken versteiften. Was auch immer sie auf der anderen Seite entdeckt hatten, es gefiel ihnen nicht.
»Lass uns später darüber reden, okay?«, sagte Milt. Es beeindruckte sie, dass er nicht bereit war aufzugeben, obwohl sie seine Fragen immer wieder abwies. Dass er es nicht aus Neugier tat, sondern aus ehrlichem Interesse an ihr, spürte sie.
»Ja, okay.«
Dann hatte auch sie die Kuppe erreicht.
»Ach, du Scheiße«, sagte Milt neben ihr.
Laura sprach es nicht aus, aber sie dachte dasselbe.
Diffuser Nebel lag über dem Tal, in das sie blickten, und gab allem eine milchig graue Färbung. Eine Straße schlängelte sich an wie hingewürfelt dastehenden Hütten und Häusern vorbei. Es gab Felder hinter den Häusern und Weiden, auf denen straußenartige Vögel grasten. Aus einer Schmiede stieg Rauch auf, das metallische Geräusch von Hammerschlägen. Stände säumten die Straße, in der Mitte des Dorfes wurde ein Markt abgehalten. Es gab Tempel, von denen manche mit Kreuzen, andere mit ihr fremd erscheinenden religiösen Symbolen verziert waren. Vor einem hatte sich eine Gruppe Robenträger versammelt. Was sie taten, konnte Laura nicht erkennen.
Wieso will ich nicht hinsehen? , dachte sie. Wieso ergreife ich jede Ausflucht, um den Blick nicht auf den Palast zu richten?
Sie schluckte, spürte, wie Milt nach ihrer Hand griff. Erst als sie seine Wärme spürte, wagte sie es, den Kopf zu heben.
»Ist das der Olymp?«, hörte sie Karys fragen. Niemand antwortete ihm.
Es war der Olymp, das sah Laura auf den ersten Blick. Wie eine Fischflosse ragte der schneebeddckte Gipfel aus dem Rest des Gebirges heraus. Der Nebel waberte unter ihm, verdeckte einen Teil des Palastes auf den Laura und alle anderen solche Hoffnungen gesetzt hatten. Er stand am Fuß des Gebirges, dunkel und gedrungen wie ein Raubtier, das zum Sprung ansetzte. Hohe Mauern umgaben Türme, die untereinander mit Brücken und Stegen verbunden waren. Alles war mit steinernen Dornen besetzt, die Mauern ebenso wie die Türme. Sie wirkten abweisend, als wollten sie jeden Besucher vor einem Betreten des Palastes warnen.
Der Anblick bereitete Laura Unbehagen, als richtete sie ihren Blick auf etwas Böses, Verdorbenes, das kein Mensch je zu Gesicht bekommen sollte.
Aber sie sah auch etwas anderes: zusammengebrochene filigrane Türme aus hellem Stein, Bauschutt und Gerüste. Verschiedene Architekturen prallten in dem Palast aufeinander, als hätten mehrere Personen unabhängig voneinander versucht, ihn ihren Wünschen anzupassen. Dabei herausgekommen war ein martialisch düsterer Kriegsherrenbau, zu dem der Name Morgenröte nicht wirklich passen wollte.
Finn brachte Lauras Gedanken auf den Punkt. »Glauben wir wirklich, dass jemand, der so lebt, uns helfen wird?«
Jack schulterte seinen Rucksack. »Das werden wir
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