Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
Dennoch war sie erstaunt, dass er zu ihr kam. Elfen interessierten sich nicht für menschliche Belange, das hatten die beiden oft genug betont.
»Du solltest nicht zu lange hier sitzen bleiben«, sagte Cwym, während er sich ohne Aufforderung neben ihr niederließ. »Vielleicht gibt es hier Käfer, wie wir sie schon erlebt haben, oder anderes Nachtgeziefer.«
»Ja, ich komme bald.« Sie wollte ihn gern fragen, ob er einer der Fünf Sucher war, jener Elfenwesen, die seit Jahrhunderten oder länger nach dem Schattenlord suchten. Wenn dem so war, ging ihn der Kampf gegen Alberich sehr wohl etwas an. Und dann wäre dieser König der Crain möglicherweise der Auftraggeber?
Immer noch mehr Fragen und keine Antworten.
»Was machst du überhaupt hier?«, fuhr Cwym fort.
»Nachdenken.«
»Dazu braucht man so lange?«
»Ein Elf wahrscheinlich nicht.« Laura schielte zur Seite und sah Bohnenstange grinsen.
»Also, worum genau geht es?«, beharrte der Elf. Seine Augen leuchteten leicht in der Dunkelheit, genau wie die Orchideen. Vielleicht reflektierten sie deren Schimmern wie die Augen eines Hundes oder einer Katze.
»Alles bricht über mir zusammen«, murmelte Laura. »Ich weiß einfach nicht, wie ich es schaffen soll ... Ich ... ich bin mit meinen Nerven am Ende.« Sie war eigentlich hierher gegangen, um zu weinen, aber nicht einmal das war ihr möglich. Das mochte am Elfenzauber liegen oder daran, dass sie übermüdet war und die Grenze des Erträglichen überschritten hatte.
»Hm. Du nimmst also an, deine Probleme wären unlösbar?«
»Natürlich. Oder wie soll ich als Mensch in dieser magischen Welt überleben und auch noch die Retterin spielen? Was wollen wir uns vormachen? Es ist einfach nicht zu schaffen!« Laura schlug neben sich in das Moos, das weich nachgab, ohne ein Geräusch von sich zu geben. Der geplante Effekt verpuffte lautlos. »Und zum Tod sind wir auch verurteilt.«
»Ich will dir etwas erzählen«, sagte Cwym. »Es ist noch gar nicht so lange her, da hatten wir Elfen das gleiche Problem.«
»Was meinst du damit?«
»Wir haben die Unsterblichkeit verloren.« Cwym schnippte mit den Fingern. »Zack, weg war sie. Einfach so. Nun, es gab natürlich schon einen Grund, doch es würde zu lange dauern, dir alles zu erzählen. Jedenfalls, erst tausend Jahre später haben wir es gemerkt - nämlich daran, dass uns nicht mehr viel Zeit blieb. Was denkst du wohl, was es für einen Unsterblichen bedeutet, sterblich zu werden und nicht mehr lange zu leben zu haben?«
Laura kaute auf ihrer Unterlippe. »Das ist gewiss unvorstellbar«, gab sie leise zu.
»Euer Leben als Sterbliche währt ohnehin nur wenige Jahrzehnte, und wenn ihr sie entsprechend ausfüllt, was spielt es da für eine Rolle, wann es geschieht? Ihr wisst doch darum. Sicher hängt ihr am Leben, wer täte das nicht. Dennoch ist es kein Vergleich, wenn man nahezu die Unendlichkeit in sich trägt und dann den stetigen Zerfall spüren muss. Das gesamte Elfenvolk war zum Untergang verurteilt - und nicht nur das.«
Cwym erzählte weiter, dass der Einzug der Zeit in die Anderswelt die Grenzen aufzulösen drohte. Mit der Konsequenz, dass alle Welten ineinandergestürzt wären - was vermutlich das Ende von allem bedeutet hätte.
In diese Zeit der Wirren, als die Elfen auf der Suche nach dem Quell der Unsterblichkeit waren, wurde eine junge Menschenfrau namens Nadja Oreso in diese Sache hineingezogen. Weil die Elfen ihre Freunde wurden, weil sie sich in den Elfenprinzen Dafydd von Crain verliebte, nahm sie den Kampf gegen alle Fährnisse und Feinde auf.
»Und sie hatte Feinde, gegen die Alberich ein Lausejunge ist.«
»Gleich mehrere?«
»Oh ja. Mächtige Feinde. Doch sie ließ sich nicht einschüchtern. Nicht mal von Göttern.«
Nadja Oreso legte sich sogar mit dem Herrn von Annuyn, dem grauen Tod, an, um ihre Freunde zu retten. Sie setzte sich mit Göttern, Dämonen und allen mächtigen Wesen auseinander, die sich ihr in den Weg stellten. Mit ihrer Beharrlichkeit fand sie einen Weg zur Rettung des Volkes und aller Welten, ja, am Ende aller Zeiten war sie diejenige, die den Zusammensturz aufhielt und die Lösung fand.
»Sie hat eine unglaubliche Reise und unendliche Gefahren bewältigt, Laura, und sie hat Dinge gesehen, die du dir nicht vorstellen kannst. Sie war im alten Atlantis, sie war im mystischen Indien, in Japan, an vielen anderen Orten.«
Laura merkte, wie ihre Unterlippe zu zittern anfing. »Sie hat nie aufgegeben, richtig? Erzählst
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