Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
Prellungen waren nur oberflächlich. Sie hatten ordentlich Glück gehabt.
Maurice Karys kam auf einmal angetaumelt. Genau wie Milt hatte er sich den Kopf gestoßen und war erst jetzt wieder zu Bewusstsein gelangt. Blieb nur noch Rimmzahn, den sie schließlich in der Nähe des Baums fanden, da er erst kurz vor dem Aufprall abgesprungen war. Der Schweizer hatte sich das Bein verstaucht und einen Arm aufgeschlagen. Vermutlich hatte er auch eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen, denn er musste sich mehrmals übergeben.
»Der wird schon wieder«, sagte Cwym zuversichtlich; gemeinsam mit Bathú trug er Rimmzahn zu dem bereits errichteten Lager. Die meisten Beutel samt Inhalt hatten den Aufprall sogar überstanden, sie waren aus dem Karren geflogen, bevor er zerschellt war.
Die Elfen gingen daran, die verletzten Menschen zu versorgen. In der Nähe hatten sie einen Tümpel gefunden, an dem einige Heilpflanzen wuchsen, außerdem hatten sie den Baum angeritzt und seinen Saft aufgefangen. Alles zusammen verarbeiteten sie zu einer Paste, die sie auf den Wunden verstrichen. Gegen die Schmerzen und Prellungen waren sie bereits dabei, aus den mitgeführten getrockneten Kräutern einen Sud zuzubereiten.
Und zuletzt murmelten sie ein wenig Elfenzauber, der nicht heilen konnte, aber den Schock lindern sollte und sie alle benommen und heiter machte. Es dauerte nicht lange, und die Menschen schütteten sich aus vor Lachen über das, was geschehen war.
»Hoppla, das war wohl eine Überdosis«, sagte Bathú entschuldigend, als Cwym ihn streng ansah.
Cwym neutralisierte einen Teil des Zaubers, sodass die Menschen sich beruhigten und wieder zu sich kamen.
»Ich fühle mich schon viel besser«, sagte Laura. »Danke.«
Rimmzahn und Karys waren nebeneinander auf ein Krankenlager gebettet, der Kopf des Franzosen verbunden, das Bein des Schweizers geschient.
»Bis morgen seid ihr wieder in Ordnung«, versprach Bathú. »In diesem Reich heilt alles schnell.«
»Ja, das war einst der Gedanke des Priesterkönigs«, sagte Felix. »Kein Schmerz, keine Sorgen, kein Leid. Ein Land, in dem Milch und Honig flossen und Diamanten von Bäumen gepflückt werden konnten, in dem alle reich waren und niemand arm. Das kann Alberich noch nicht alles zerstört haben. Oder?«
»Stimmt.« Cwym schlug sich gegen die Stirn. »Wir sollten auch noch das Wasser verwenden!« Zusammen mit Bathú lief er zu dem nahe gelegenen Wäldchen, das in einer kleinen Senke lag.
Jack sah nach den beiden auf dem Krankenlager. »He, ihr zwei. Alles in Ordnung?«
»Solange ich mich nicht bewege, ja«, antwortete Karys.
»Hört mal ...«, fing Rimmzahn an. »Könnt ihr mich alle hören? Auch die Elfen?«
»Ja, die kommen gerade zurück.« Jack winkte die Unsterblichen zu sich.
»Also ... ich muss euch was sagen.« Rimmzahn räusperte sich. »Ich ... verdanke euch mein Leben. Euch allen. Wenn ihr mich nicht angespornt hättet, wäre ich niemals gesprungen und jetzt tot. Und nun habt ihr mir geholfen ...«
»Das ist so in einer Gemeinschaft«, sagte Milt freundlich. »Da ist einer für den anderen da.«
»Ja, und ich würde es Training on the Job nennen, wenn es nicht so abstrus wäre«, stimmte Rimmzahn zu. »Teamarbeit war bisher etwas, um das ich mich nicht kümmern musste. Ich bin Dozent, ich lehre, alles andere ist nicht meine Sache. Und das Schreiben ist ohnehin eine einsame Angelegenheit, noch dazu, wenn man ein Plagiat oder Ideenklau fürchten muss, und das ist in meinem Genre gang und gäbe. Ich habe immer gepredigt, dass der Intellekt über allem steht und Konflikte allein mit dem nüchternen Verstand bewältigt werden können.«
»Das hat ja bisher auch immer geklappt«, warf Finn ein.
Rimmzahn sah Laura an. »Aber Verstand ist nicht alles. Und deshalb ... also, ich finde ... nun, wir sind schon so lange unterwegs, deshalb sagt einfach alle Norbert zu mir, und ... und das Sie lassen wir in Zukunft auch weg. Einverstanden?«
Laura blinzelte verwirrt, sie begriff zuerst nicht so recht, dann wäre sie beinahe laut herausgeplatzt. So viel Aufwand für ein einfaches Du - das zeigte, dass Norbert Rimmzahn tatsächlich einen so langen Weg bewältigen musste, um wenigstens eine gewisse Distanz aufzugeben. Oder eine Stufe von seinem Podest herabzusteigen?
Doch sie durfte nicht darüber lachen, für ihn war es ein schwieriger Schritt gewesen. Deswegen lächelte sie auch nur und sagte: »Sehr gern, Norbert. Ich bin Laura.«
Einer nach dem anderen stellten
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