Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
feinfühlig für ... diese Dinge. Vergiss nicht, dies ist die lebendig gewordene Illusion eines Menschen, geschaffen von einer Frau, die Elfe, Vampirin und Muse zugleich ist. Hier haben alle Dinge eine Verbindung miteinander, und so gibt es kalte und warme Pfade.«
»Es stimmt, ich fühle Wärme«, sagte Laura verwundert. »Was genau ist es?«
»Die Adern dieses Reiches, was sonst?« Cwym schulterte seinen Beutel. »Und der Seelenfänger folgt diesen Linien wie auf einer Seeroute, er kreuzt nicht willkürlich. Das tut niemand, der zur See fährt.«
Laura merkte, wie die Blicke der Männer nun bewundernd auf ihr lagen. »Strengt euch an, dann könnt ihr es auch fühlen«, sagte sie verlegen.
»Ich glaube, so einfach ist das nicht.« Milt schüttelte den Kopf. »Obwohl ich, was Pfade betrifft, ebenfalls empathisch veranlagt bin, kann ich es nicht spüren. Ich wüsste nicht mal, was ich suchen sollte.«
Laura fühlte, wie etwas Kaltes ihr Herz umschloss. Genau das war dann wahrscheinlich einer der Gründe, weswegen der Schattenlord sie ausgewählt hatte. Er hatte ihr Talent, wie auch immer es genau sein mochte, erspürt und wollte es nutzen. Alberich hatte sehr genau gewusst, warum er sie auf die Reise geschickt hatte!
Sie folgten Lauras Wegweisung, die immer noch ungenau war, aber wenigstens einigermaßen einer Richtung folgte. Ihre Begleiter behandelten sie weiterhin als eine der Ihren, trotz ihrer Niedergeschlagenheit gestern. Sie schämte sich ein wenig dafür, denn die Sonne munterte sie deutlich auf. Vielleicht lag es auch an der Mond- und Sternenlosigkeit, dass es sie so extrem heruntergezogen hatte. Jetzt jedenfalls fühlte sie sich energiegeladen und war wild entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Gerade weil sie daheim nichts zurückgelassen hatte, konnte sie alle Energie auf das Hier und Jetzt verwenden.
Ihr Selbstmitleid hatte sie auf die Bahamas getrieben und letztlich hierher - also musste sie die Strategie ändern, um wieder nach Hause zu kommen: positiv und nach vorn. Die wenigen Wochen, die ihr blieben, würde sie nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Insofern war sie allen dankbar, dass sie ihr am Vortag nacheinander den Kopf zurechtgerückt hatten. Und noch dankbarer dafür, dass heute niemand mehr ein Wort darüber verlor.
Milt kam an ihre Seite. »Wie geht es dir? Du siehst viel besser aus als gestern.«
»Ja, so fühle ich mich auch.« Sie fuhr sich durch ihr bunt gefärbtes Wuschelhaar. Sie hatte es gewaschen, und nun fühlte es sich leicht und locker an, nicht mehr so strohig. »Hör mal, Milt ...«, fuhr sie schnell fort, bevor er etwas sagen konnte. »Es tut mir leid, wie ich mich gestern benommen habe. Ich muss dich ziemlich vor den Kopf gestoßen haben.«
Er versuchte, es herunterzuspielen. »Na ja, hab schon Schlimmeres erlebt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Wenigstens habe ich nicht den schrecklichsten aller Sätze benutzt.«
»Ach, lass uns doch Freunde bleiben«, platzte es Milt gleichzeitig mit ihr heraus, und sie lachten beide.
»Ja, darüber bin ich sehr froh«, sagte Milt dann. »Heißt das wenigstens ... ich hab eine winzige Chance?«
Wenn er wüsste. Laura konnte sich in diesem Moment eine Menge Dinge vorstellen, mit denen er eine Chance bei ihr hätte. Aber sie musste vernünftig bleiben.
»Milt, welche Aussichten haben wir denn?«, fragte sie leise. »Gibt es denn überhaupt eine Zukunft für uns? Ist das echt, was wir empfinden, oder sind diese Gefühle aus der Not entstanden, dass wir zusammenhalten müssen, dass wir Zuneigung und Nähe brauchen, um uns wenigstens so geborgen fühlen zu können?«
»Du meinst eine Zweckbeziehung?«
»Ja ... ich denke schon.«
»Also fühlst du dich wenigstens zu mir hingezogen?«, hakte er nach.
Laura presste die Lippen zusammen und starrte ins Land hinaus. Je weiter sie sich vom Palast entfernten, desto üppiger und blühender wurde es. Ganz anders als die Amethystwüste, das Steppenland und alles danach. Hier schien alles noch sehr ursprünglich zu sein, und das gefiel Laura sehr. Es erinnerte sie an daheim und war doch wieder anders. Das Gras hatte einen bläulichen Ton, silberfarbene Blüten wuchsen an Büschen, und das Kleingetier, das sie sahen, besaß ein buntes Fell und skurrile Formen.
»Ich weiß nicht, was ich für dich empfinde, Milt«, sagte sie aufrichtig, weil es keine andere Antwort gab. »In meinem Kopf und in meinem Herzen ist alles durcheinander. Ich denke nicht, dass ich in
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