Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
emotionaler Hinsicht momentan zurechnungsfähig bin.«
»Ich schon«, sagte Milt. »Ich hab dich sehr gern, Laura. Ohne dass ich es hinterfragen muss, ist das so. Nicht mehr, nicht weniger. Ich weiß nicht, warum, aber das ist alles, was ich dazu sagen kann. Und ich werd dich nicht so leicht aufgeben. Du hast nur Angst vor dem, was folgt, wenn du dich auf mich einlässt, und gibst dich allein deswegen so abweisend.«
Er hob die Arme. »Aber das weiß man nie. Weder hier noch bei mir auf den Bahamas, noch bei dir in Deutschland. Eines aber weiß ich ganz genau: Du wirst es nie erfahren, wenn du es nicht wenigstens versuchst. Und lieber einmal zu viel geweint als einmal zu wenig geliebt. Das jedenfalls ist meine Meinung.«
Laura war gerührt und lächelte. Sie hätte ihn gern gefragt, ob er das schon einmal zu einer Frau gesagt hatte, eben weil sie derart verunsichert war und er den Finger genau auf die Wunde gelegt hatte. Aber sie wollte ihn nicht noch mehr vor den Kopf stoßen. Selbst wenn er so etwas nicht zum ersten Mal gesagt hatte - es konnte nicht leicht sein für einen Mann wie ihn, sich derart zu offenbaren. Das bewunderte sie, und ...
»Oh«, sagte sie da plötzlich. »Halt, halt!«
Die anderen blieben stehen. »Was ist?«, fragte Jack.
»Ich habe den Pfad verloren«, antwortete Laura. »Unter meinen Füßen ist es kalt.«
Sie irrten eine Weile umher, bis Laura »das Gefühl« hatte, wieder auf der richtigen Fährte zu sein. Genau sagen konnte sie das aber nicht.
»Ich hoffe, man ist nicht nachtragend, wenn ich behaupte, dass diese Empathie auf Wunschdenken beruht«, merkte Norbert an. Er war höflicher geworden, seit das allgemeine »Du« galt, aber nicht weniger belehrend. »Laura fällt dem Placeboeffekt zum Opfer.«
»Möglich«, murmelte sie. »Ich ... weiß gar nicht mehr, was ich glauben soll.«
»Weil man nichts glauben kann, was in diesem Reich geschieht«, erwiderte Bathú aufmunternd. »Das gilt übrigens allgemein für die Anderswelt. Die einzige unumstößliche Regel lautet: Es gibt nichts, was unumstößlich ist.«
»Das bedeutet«, sagte der viel ernstere und eher das Wort führende Cwym, »dass die magischen Strömungen alles beeinflussen und nichts Konkretes wie eure phänomenalen physikalischen Gesetze, auf die ihr so stolz seid, zulassen.«
»Ha, inzwischen werden sogar die Einstein'schen Theorien hinterfragt«, sagte Andreas. »Bei uns herrscht folgende Regel, die der euren gar nicht so unähnlich ist: Fest steht, dass nichts feststeht. Je tiefer wir ins Universum hinausspähen können, desto mehr stellen wir fest, dass wir erst am Anfang unserer Erkenntnisse stehen.«
»Ja, weil ihr den Atem der Magie streift«, sagte Bohnenstange. »Ihr erfindet nur andere Namen dafür. Dunkle Materie und dergleichen. Die Kräfte, die wir uns zunutze machen können, existieren auch in eurer rationalen Welt, trotz der Abschottung, nur ihr könnt sie nicht wahrnehmen, höchstens einmal berühren. Einen Blick in eine andere Dimension werfen, sie auch ein wenig nutzen, wenn ihr hochbegabt seid.«
»Also bin ich hochbegabt ?«, meinte Laura ironisch.
»Was Cwym damit sagen will«, sagte Bathú lächelnd, »ist, dass du an dich selbst und daran glauben musst sonst funktioniert es nicht. Mit dem rationalen Verstand können diese Dinge nicht erfasst werden. Nicht wahr Obeah-Mann?«
»Mhm.«
»Das sind doch faule Ausreden«, ereiferte sich Norbert. »Was nicht erklärt werden kann, gibt es nicht, basta!«
»Dann erklär mir doch mal dieses Reich hier.«
»Oh, ich würde eine Menge Erklärungen finden! Ich sehe sehr viel mit eigenen Augen und kann deshalb anerkennen, dass es dieses Reich trotz seiner Unmöglichkeit gibt. Aber darüber hinaus muss ich erst überzeugt werden, davon gehe ich nicht ab.« Das war das größte Zugeständnis, das der Schweizer Autor geben konnte.
Laura half das keinen Deut weiter. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte.
»Gehen wir einfach weiter«, schlug sie vor und deutete geradeaus. »Vielleicht treffen wir wieder auf eine Ader!«
Sie überquerten eine blühende Wiese. Wolken von Blütenstaub stoben auf, sobald Stiefel die zarten Blumen streiften, und fielen wie ein feiner Vorhang sacht wieder herab. Winzige schillernde Insekten schwirrten in Farben sprühenden Bögen hindurch, die langen Rüssel ausgerollt, und sammelten die Pollen im Flug. Herrlicher Duft beglückte Lauras Geruchssinn, schien sich bis in ihr Gehirn auszubreiten und alles Trübe
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