Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
traf einen der Schweinsgesichtigen.
Der Hauptmann reagierte sofort. »Wer war das? Los, melden, oder ich werde euch alle bestrafen!«
»Ich war das!«, rief Micah von nebenan, obwohl der Napf aus dem mittleren Verlies geflogen war. »Komm her, wenn du dich traust!«
»Ich meine es ernst«, drohte der Hauptmann.
Da sauste aus dem Verlies, in dem Angela die Wortführerin war, der nächste Napf.
»Haut doch endlich ab und lasst uns in Ruhe!«, rief jemand.
Gleichzeitig erklang ein Geräusch, als würde jemand etwas Schweres in die Mauer schlagen.
»Was soll das werden?«, brüllte der Hauptmann. »Seid ihr jetzt alle durchgedreht? Versucht nur, die Mauern aufzubrechen, dahinter erwartet euch weiteres Gestein! Der Boden hier ist massiv!«
Und so ging es den ganzen Tag. Man konnte nie genau sagen, wer anfing. Jemand wand sich in Bauchkrämpfen, rief um Hilfe, doch sobald der Hauptmann kam, taten alle unbeteiligt. Einmal schien es eine Schlägerei zu geben, doch es war wieder falscher Alarm. Ein andermal wollte jemand den Hauptmann sprechen, um ihm ein »gutes Geschäft« vorzuschlagen, er habe nämlich bedeutende Informationen ... Aber natürlich konnte sich niemand daran erinnern, wenn endlich eine Wache darauf reagierte.
So verging der Tag schnell. Ohne dass die Menschen darüber sprachen, hatten alle begriffen, dass etwas Bedeutendes vor sich ging, dass all dies auf ein Ereignis hinsteuerte, das nur Flucht sein konnte, und machten mit. Selbst die sonst so ängstliche Gina rief energisch nach ihrer warmen Decke und dem Kissen, was sie schon vor Tagen bestellt habe, und wich auch nicht zurück, als der inzwischen äußerst aufgebrachte Hauptmann ihr mit der Peitsche drohte.
»Bestraf mich doch!«, rief sie. »Ich hab keine Angst vor dir.«
Darin stimmten weitere Gefangene ein, und sie begannen zu randalieren.
Dem Hauptmann blieb irgendwann nichts anderes mehr, als mit den Wasserwerfern anzurücken. Er hatte sehr oft gedroht, aber sie dann doch nicht eingesetzt, weil die glupschäugigen Wesen anscheinend lange brauchten, um sich wieder »aufzuladen«. Seine Geduld war erschöpft, und er musste seine Drohung wahr machen, sonst würde er überhaupt nicht mehr ernst genommen.
Es war kurz vor dem zweiten Wachwechsel. Die Ablösung war bereits im Gange, doch der Hauptmann wartete nicht ab, bis alle da waren, sondern glaubte sich mit drei Trollen sicher genug.
Die Menschen drängten sich ganz nach hinten seitlich an die Wände, um so weit wie möglich aus der Schusslinie zu kommen.
In dem Moment, als die Trolle auf die Bäuche der Wasserwerfer drückten, schnappten plötzlich die Schlösser aller drei Verliese auf. Wieder war nicht erkenntlich, wie daran gedreht werden konnte, es waren nur ein paar huschende Schemen zu erkennen.
Für einen kurzen Moment verharrten alle verdutzt, doch Cedric fasste sich als Erster.
»Jetzt!«, schrie er, und dann rissen sie die Gitter auf. Die Trolle hörten vor Verblüffung auf, die Bäuche der Wasserwerfer zu drücken, und wie ein rückläufiger Schwall drangen die Gefangenen aus den Verliesen.
Cedric war schon bei dem Hauptmann, und ehe der sich's versah, hatte er den fast drei Zentner schweren Soldaten mit einem gezielten Wurf, der aus Straßenkampf, Judo und anderen Techniken gebildet war, überwältigt und zu Boden gerissen. Er positionierte sich hinter ihm, hielt ihn im Würgegriff und riss das Messer aus seinem Gürtel. Micah - er musste es sein, ein hochgeschossener, dunkelhaariger junger Mann mit zornigem Blick - nahm die restlichen Waffen des Hauptmanns an sich und verteilte sie.
Die Trolle rührten sich überhaupt nicht, sie schienen auf weitere Befehle zu warten.
Von der anderen Seite stürmten die Wachen heran, während sich hinter Cedric und Micah die Menge versammelte.
»Wir haben euren Hauptmann!«, rief der bullige Mann ihnen entgegen.
Der Anführer der Wachen, der durch Mord an seinem Vorgesetzten in diesen Rang gekommen war, stieß ein wütendes Grunzen aus, doch als Cedric ihm die Luftröhre weiter abdrückte, hielt er brav still.
»Ihr geht sofort wieder zurück in eure gemütlichen Behausungen!«, verlangte einer der Wächter, der am weitesten vorn war. »Was soll das denn, seid ihr verrückt? Ihr habt doch nicht die geringste Chance!«
Sie zückten Schwerter, Krummsäbel, Äxte und Beile und rückten langsam näher.
Der Hauptmann gurgelte panisch, als Cedric ihm das Messer an den Hals setzte und leicht zustach. Ein Blutstropfen rollte über die
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