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Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers

Titel: Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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Horrorgeschichten, die Märchen ... die Menschen bewahrten ein Wissen, von dem sie nicht mehr wussten, dass es einen realen Hintergrund hatte ...
    Und der Minotaurus gehörte bestimmt dazu. Agnes wusste nicht, warum, aber auf einmal hatte sie die Assoziation zu diesem mythologischen Wesen, vielleicht angeregt durch dieses Labyrinth hier. Sie war mal mit Franz auf Kreta gewesen und hatte sich dort ausgiebig mit dem Stiermenschen befasst; wobei sie von Knossos extrem enttäuscht worden war. Eine Ruine, die nur noch Theaterkulisse war, mit Beton ausgegossen, nur noch Talmi, aber keine Historie. Viel Raum für Fantasie, erst recht für ein so faszinierendes Tierwesen, blieb da trotz aller Mühen nicht übrig, dafür war das Künstliche einfach zu offensichtlich.
    Aber hier beim Palast gab es einen Berg, der Olymp hieß. Also warum sollte der Minotaurus nicht hier sein? Ein wohliger Schauer überlief Agnes, die Vorstellung faszinierte sie immer mehr. Was sie auf Kreta gern gespürt hätte, konnte sie hier nun auskosten. Dieses Labyrinth war wie geschaffen für das Ungeheuer. Nur leider hatte Agnes keinen Faden, der sie hindurchführen und in Sicherheit bringen würde.
    Aber das machte ihr gar nichts aus, sie fürchtete sich auch nicht, obwohl sie jetzt allein war und nicht wusste, wohin die anderen gelaufen waren. Sie kicherte in sich hinein, fühlte sich wie als Mädchen bei einem Streich.
    Seit Franz' Tod in dem Zombiedorf war Agnes jeden Tag ein bisschen mehr gestorben. So lange waren sie ein Paar gewesen, jeder wie die Hälfte des anderen. Hatten die Reisen genossen, solange es ging, denn Franz war schon nicht mehr ganz gesund gewesen. Sie hatten nie darüber gesprochen, aber es beide gewusst. Der Arzt hatte ihnen bestimmte Tabletten mitgegeben und gemeint, es müsste alles gut gehen, die Werte seien momentan gut.
    Aber die Belastungen seit dem Absturz waren für Franz einfach zu viel gewesen. Und das hatte nicht nur an seinem Gewicht gelegen, sein Herz hatte die seelische Überbeanspruchung nicht mehr verkraftet. All die Aufregung, Angst, Hetze ...
    Und so hatte ihr lieber Franz seine Agnes einfach verlassen. Gerade jetzt, gerade hier. Was sollte es noch Lebenswertes für sie geben? Warum sollte sie überhaupt nach Hause zurückkehren wollen, wo nichts auf sie wartete? Außer einer leeren, kalten Wohnung und zänkischen Nachbarn gab es doch nichts.
    »Also, Minotaurus, wenn du hier irgendwo bist, dann zeig dich«, sagte Agnes vor sich hin und kicherte erneut. »Ich verspreche auch, ich werde dich nicht erschrecken!«
    Es war wie die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches. Agnes ging ruhigen Schrittes den schwach erleuchteten Gang entlang. Sie machte sich keine Sorgen, irgendwohin musste er führen. Er war beleuchtet, er musste Anfang und Ende haben. Sie würde dem Licht so lange folgen, bis es sie nach draußen führte.
    Agnes hatte die Spiegellabyrinthe auf dem Rummel immer geliebt. Und den Weg stets schnell gefunden, irgendwie ein spezieller Orientierungssinn. Und hier hatte sie den merkwürdigen Eindruck, auf dem richtigen Weg zu sein. Wahrscheinlich würde sie die anderen noch retten und nach draußen führen!
    Das würde Agnes gefallen. Sie wiederbeleben, ihr einen ganz neuen Lebenssinn spenden. Gebraucht zu werden, bemerkt zu werden. Noch einmal jemand sein. So könnte sie sich ein neues Leben vorstellen. Von vorn anfangen und ...
    Die Österreicherin blieb stehen. Der Gang machte weiter vorn eine Biegung, und da war jemand. Ein Schatten fiel voraus, verzerrt von den Lampen an die grobe Wand geworfen. Ein großer Schatten, aber das mochte nicht viel besagen. Wenn die Sonne tief stand, waren alle Schatten lang. Agnes und Franz hatten sich dann gern hingestellt und sich daran gefreut, wie groß und schlank sie auf einmal waren.
    Doch was um die Ecke bog, war wirklich groß. Bestimmt zwei Meter oder noch mehr. Es war nicht ganz deutlich zu sehen für Agnes' schwache Augen, die ihre Brille längst verloren hatte, doch sie glaubte, zwei lange Hörner von einem Kopf aufragen zu sehen, der nicht menschlich war. Der restliche Körper wirkte aber schon menschlich, rot und schwarz. Irgendwie schön, anmutig.
    »Minotaurus?«, flüsterte sie. »Bist du das wirklich?«
    Das Wesen antwortete nicht. Doch es hob den linken Arm und winkte ihr mit bedächtiger Bewegung, ihm zu folgen.
    Agnes gehorchte. Warum auch nicht? Der Minotaurus schien keine Absichten zu hegen, sie zu fressen. Zeigte sich im Gegenteil höflich und

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