Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
Kampf Jederzeit ablegen und einfach davonsegeln, und auf der schwebenden Insel gab es nichts weiter zu holen. Und man konnte es nicht oft genug betonen: Alberich hielt seine schützende Hand darüber. Niemand wäre so dumm, einen Angriff zu wagen.
Das hatte Piet noch vor seinem Abschied gesagt. Für ihn wurde es Zeit zu gehen; er bewegte sich nur noch sehr schwerfällig und hatte nun viel mehr von einem Walross als einem menschlichen Wesen an sich. Hoffentlich hatte er Glück, und diese Veränderung konnte sich zurückbilden, sobald er den unheilvollen Einfluss des Schiffes verließ.
Wie es aussah, wurden diejenigen, die das Schiff verließen, tatsächlich entlassen und nicht einfach beseitigt, zumindest machte es auf Sandra und Luca den Eindruck. Immerhin bemerkten sie bei sich selbst noch keine Veränderungen, aber das mochte nicht viel besagen, sie waren erst wenige Tage an Bord.
Umso dringlicher war es, zu fliehen.
Sandra und Luca nahmen sich vor: jetzt oder nie! Wenigstens einmal mussten sie die Reling erreicht haben. Und dann ... würden sie weitersehen. Wenn die Armbänder es nicht zuließen, dass sie das Schiff verließen, konnten sie vielleicht jemandem eine Nachricht zustecken, irgendetwas anderes tun ...
Piet war schon fort, doch ihn hatten sie gar nicht erst in Erwägung gezogen. Trotz aller Leutseligkeit wollten sie sich ihm nicht anvertrauen.
Aswig konnten sie jedenfalls nichts geben; zum einen trauten sie ihm nicht, zum anderen hörten sie ihn in seinem Versteck weinen und wussten damit, dass auch er nicht von Bord gehen durfte. Wahrscheinlich für die Dauer des Aufenthaltes nicht, obwohl er behauptet hatte, freiwillig angeheuert zu haben.
Und dann, auf einmal, war es so weit. Die Körbe fuhren rauf und runter wie die Seilbahn auf das Nebelhorn, als sie mit Mama und Papa einen Ausflug zu Onkel Otto unternommen hatten, der dort oben eine Berghütte betrieb. Es herrschte reger Betrieb beim Ein- und Aussteigen, beim Be- und Entladen; im Übrigen war das Deck wie ausgestorben, die meisten Matrosen waren schon von Bord gegangen, und die anderen lagen in ihren Kojen und tranken Rum und Bier. Kramp war nirgends zu sehen, es hieß, er halte sich seit der Landung bei seinem Kapitän auf.
Selbst die Sklaven hatten Ruhe, sie hatten sich auf der anderen Seite des Schiffes auf einem Zwischendeck niedergelassen, dösten und betrieben gegenseitige Haarpflege.
Wer achtete da jetzt noch auf zwei stumme Kinder, die nicht mehr als huschende Schatten waren!
Luca lief los, dann folgte Sandra. Im Zickzack bewegten sie sich über das Deck und näherten sich den Körben immer mehr an. Wenn es ihnen gelänge, irgendwie hineinzuschlüpfen, vielleicht mit Gepäck oder Sonstigem, was hinuntertransportiert wurde - immer vorausgesetzt, die goldenen Armbänder ließen es zu, aber vielleicht herrschten hier andere Regeln ...
Da war auch schon ein Korb von unten unterwegs, gleich würde er da sein ...
Luca und Sandra drängten sich nach vorn, jetzt oder nie ...
... und erstarrten, als sie plötzlich in ein vertrautes Augenpaar blickten.
15
Hinauf!
L auras Gruppe blieb augenblicklich stehen; die Reisenden drehten sich langsam um.
Sie standen mittendrin im Gassengewirr, umgeben von schiefen, aneinandergeschmiegten Häusern, die bis zu den Dächern miteinander verbunden waren. Bunte Wäsche flatterte an von Haus zu Haus gespannten Schnüren, auf dem einen oder anderen schmalen Balkon stand oder saß jemand und rauchte eine langstielige Pfeife.
Laura und ihre Freunde sahen sich ebenfalls einer Gruppe gegenüber - die meisten waren Menschen, aber auch ein paar andere Wesen waren darunter, und ein Elf war ebenfalls dabei. Sie waren groß und klein, dick und dünn, behaart und unbehaart, aber alle trugen zerschlissene, ausgeblichene Kleidung. Ihre Waffen jedoch, die sie demonstrativ in Händen hielten, waren blank geputzt. Wie überall konnte man sich in dem matten Metall nicht spiegeln. Aber das war auch gar nicht notwendig, es war beeindruckend genug, in die breiten Säbel, Kurzschwerter, Dolche, Degen und weitere solch schneidender Waffen zu blicken, ohne dass sie auch noch blitzten.
Der Gruppe voran stand ein kleiner Mann, rund wie eine Kugel, mit Schnallenschuhen und einem Schneidezahn aus Diamant. Doch bevor er etwas sagen konnte, schob sich eine kaum weniger voluminöse Frau mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihn und musterte die Fremden eindringlich.
»Was habt ihr hier verloren?«, fragte sie
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