Schattenlord 5 - Sturm über Morgenröte
frieben.«
Maurice starrte ihn entgeistert an. »So was kennst du auswendig?«
»Hm-mhm«, brummte Norbert.
»Aber was hat das zu bedeuten?«, fragte Luca mit großen Augen; ihm war anzusehen, dass er am Verstand der beiden Rezitatoren zweifelte.
»Aber das sagte ich doch bereits!«, rief Finn. »Pluckerwank, pah, ihr Deutschen wieder ...«
»Schweizer, wenn ich bitten darf!«
»Egal. Das da unten ist der Jabberwock! Aus Alice hinter den Spiegeln, ein echter Klassiker! Sagt mal, was lest ihr denn eigentlich heutzutage?«
»Keine ollen Klamotten«, murmelte Luca. »Obwohl es eigentlich schon ganz cool klingt.«
»Und was ist der Jabberwock?«, fragte Sandra.
Finn raufte sich die Haare. »Dieses Ungeheuer da unten!«, jaulte er.
»Wie willst du das wissen?«
»Weil man es weiß«, meldete sich Josce zu Wort. »In dem Augenblick, da er ans Licht trat, erkannte ich ihn. Er ist ein schändlicher Albtraum.«
»Ein Drache«, stellte Luca fest.
»Anders als ein Drache.« Die Zentaurin erschauerte. »Er ist ein Un-Wesen, gegen das keiner von uns bestehen kann. Veda muss es auch erkannt haben, denn sonst weicht die Amazone niemals.« Sie gab den Befehl, beizudrehen. »Sehen wir unsere Niederlage ein. Wir fliegen jetzt in Höchstgeschwindigkeit davon und hoffen, dass es alle noch schaffen.«
Finn lief zu Milt. »Hast du das mitbekommen?« Er erschrak, als der Gefährte mit nassen Augen zu ihm hochsah.
»Ich glaube, Laura atmet nicht mehr«, stieß er verzweifelt hervor.
»Ha!«, frohlockte Alberich. »Alles rennet, rettet, flüchtet! Sieh, da laufen sie!«
Seine eigenen Leute waren, soweit sie es noch geschafft hatten, in den Palast gerannt. Der Hof war übersät mit Leichen, an denen der Jabberwock sich schlürfend und schmatzend gütlich tat, ohne sich erst die Mühe zu machen, sie aus den Rüstungen zu schälen. Er pulte sie einfach nach und nach mit einer Kralle heraus; wer Lederrüstung trug, wurde im Ganzen zerkaut.
Leonidas traf soeben im Dorf ein; es kam zu einem letzten Scharmützel mit den noch verbliebenen Iolair. Die meisten konnten fliehen und wurden nicht verfolgt. Der Hauptgeneral hatte nicht den Befehl erhalten, niemanden am Leben zu lassen.
Vielleicht hatte er auch den Ernst der Lage erkannt und konzentrierte sich lieber auf das Ungeheuer im Hof, das in seinen Augen entfesselt und ohne Kontrolle sein musste, da auch die eigenen Leute von ihm niedergemetzelt wurden.
Der Seelenfänger war inzwischen fast heran, und ein langer Ausleger wurde vorn am Bugspriet angebracht.
»Ich weiß nicht«, sagte Angela warnend. »Es heißt auch: Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los. «
»Ich bin aber kein Zauberlehrling«, fuhr Alberich sie an. »Sondern der Meister!«
»Hoffentlich weiß der das auch.« Sie wies auf die unfassbare Kreatur, die mit ihrem Schwanz soeben ein großes Loch in einen Seitenbau schlug und eine weitere Statue von Alberich zertrümmerte; das war schon die zweite an diesem Tag. Dann griff sie in das Loch und holte einen zappelnden und jämmerlich schreienden Soldaten heraus.
»He!«, rief der Drachenelf erbost. »Meine Statue! Das geht aber jetzt zu weit! Husch, ab mit dir ins Körbchen!«
Seine Aura leuchtete auf, und Angela konnte einen starken Energiestrom fühlen, der von Alberich auf das Ungeheuer floss.
»Jetzt wird er sich brav wieder ins Labyrinth zurückziehen«, äußerte Alberich überzeugt.
Angela zog eine kritische Miene. »Ich glaube, du überschätzt dich hier.«
»Du hast Glück, dass ich mich gerade sehr konzentrieren muss und keine Energie mehr frei habe, um dich für diese Unverschämtheit zu bestrafen«, knurrte er.
»Ich meine es ernst«, sagte sie ruhig. »Meiner Ansicht nach hast du einen schweren Fehler begangen, dieses Untier freizulassen. Wie hast du es überhaupt gefangen?«
»Mit List und Tücke, Lug und Trug«, antwortete Alberich. Seine schwarzen Brauen zogen sich finster zusammen, auf seiner Stirn bildeten sich feine Schweißperlen. »Was ist denn jetzt, du Mistvieh ...?«
»Das wird dir nicht noch einmal gelingen«, machte Angela deutlich. »Lass dir sofort etwas anderes einfallen, sonst steht hier bald kein Stein mehr auf dem anderen.«
»Würdest du bitte aufhören, mich zu kritisieren?«
»Dann erklär mir, wieso er weiter die Leichen da unten frisst!«
»Weil er den Müll beseitigt, bevor ich ihn schlafen schicke.«
Angela verschränkte die Arme vor der Brust. »Du schaffst es nicht, stimmt’s?«
»Jabberwock!«, rief
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