Schattenlord 7 - Das blaue Mal
kleiner und unbedeutender werden. Petizza benötigte nur noch einen glaubwürdigen Abgang.
Er fischte die Fäden zwischen mehreren Kanalgittern hervor, betrachtete sie prüfend und tat so, als würde er mit den Fingern ein wenig vom Fett abstreifen. In Wirklichkeit kümmerte er sich um die Lauscher. Petizza zerquetschte sie zwischen den Fingern. Nichts deutete nun noch darauf hin, dass er sich auf winzigste magische Spielsachen verlassen hatte.
»Verschwinde endlich!«, fauchte ihn Leonidas an.
»Ja, Herr, zu Befehl, Herr, ich muss bloß noch die Fäden einsammeln und ...«
»Lass sie gefälligst dort, wo sie sind!« Er schnippte Petizza eine silbern glänzende Münze zu. »Das sollte dich für den Verlust reichlich entschädigen. Und jetzt verzieh dich!« Er schüttelte den Kopf. »Du bist eine Schande, Mann! Ein Halbelf, der all seine Selbstachtung verloren hat und den Staub der Stadt frisst ...«
»Ja, Herr. Verzeih, Herr. Ich hatte viel Pech im Leben, Herr.« Petizza wollte den Mantelsaum des Soldaten küssen, doch der wich ihm aus und deutete einen Fußtritt an. Petizza sprang zurück, duckte sich, gab sich demütig und zog sich zurück, auf allen vieren kriechend. Innerlich aber jubelte er. Diese Münze würde ihn eine weitere Woche am Leben erhalten, wenn nicht gar länger!
Aus sicherer Entfernung rief er: »Danke, Herr. Zu aufmerksam, Herr. Ich werde dich in die Gebete des Allumfassenden Nichtsers einbeziehen, auf dass er dich sicher durchs Land geleite und du deine Ziele bald erreichst ...«
»Jaja, schon gut.«
Leonidas brachte seinen Unmut über ihn, den schmutzstarrenden Bettler, immer deutlicher zum Ausdruck. Seine Waffenhand lag am Knauf eines Messers. Es war an der Zeit, dass Petizza endgültig abtrat. Also ließ er all seine Fäden los und sah zu, wie sie zwischen den Kanalgittern verschwanden, langsam aufgesogen und vom gurgelnden, stinkenden Abwasser weitergetragen wurden.
Er grüßte ein letztes Mal mit zittrigen Fingern und achtete darauf, die Silbermünze nur ja nicht loszulassen. So viel Geld. So viele Dinge, die man sich dafür kaufen konnte. Fusel. Neue Schuhe. Fusel. Vielleicht sogar eine Frau. Fusel ...
Petizza eilte, so rasch es ihm seine wunden Füße erlaubten, hinab zur Unterstadt, um im Labyrinth kleiner Gässchen und Wege zu verschwinden. Er musste möglichst weit weg von den oberen Bereichen der Stadt, bevor es sich der Löwenmähnige nochmals überlegte und die Münze zurückverlangte.
Ruairidh drängte Petizza endgültig beiseite. Er betrachtete mit Abscheu jene Identität, die er sich angelegt und die wie so viele andere eine Art Eigenleben entwickelt hatte. Er beschloss, Petizza niemals wieder einzusetzen. Er würde ihn vernichten. Aus seiner Erinnerung tilgen. Der bettelnde Halbelf hatte ihm zwar gute Dienste geleistet, doch er würde ihm kein weiteres Mal mehr von Nutzen sein. Zumal die Gefahr bestand, dass sich Angehörige der Diebesgilde an seine Fersen hefteten.
Im zerbeulten Deckel einer Mülltonne hatte sich ein wenig Regenwasser gesammelt, das sauber wirkte. Ruairidh wusch sich Kohlenstaub und Mehl aus den Haaren. Dann wartete er ein wenig. Machte sich alle Einzelheiten seiner Petizza-Identität bewusst. Dachte an ihre Unzulänglichkeiten, ihr etwas irres Verhalten - und tötete sie dann, indem er sie vergaß.
Mit gestrafftem Körper und guter Laune trat er dann seinen Rückweg an, hin zur Lusthalle, in der Gloria gewiss schon sehnsüchtig auf ihn wartete. Ob Hjölnirs Freude ebenso groß sein würde, wagte er zu bezweifeln.
»Du wagst es, mir unter die Augen zu treten, nachdem du einen halben Tag der Arbeit ferngeblieben bist?«, brüllte der Vorarbeiter. »Und dann sagst du mir auch noch ins Gesicht, dass du kündigen möchtest?«
»Ja, Hjölnir.«
»Ich habe dich niemals eingestellt, du Wurm, also kannst du auch nicht kündigen.«
»Was soll das heißen?«
»Dass du und deine kleine Freundin mir gehören, verflucht!«, geiferte der Halbase. »Ihr seid mein Eigentum, und ich verfahre mit euch, wie ich möchte. Ihr werdet gefälligst hierbleiben und mithelfen, die Lusthalle fertigzustellen, und wenn dieser Auftrag erledigt ist, kümmern wir uns um den nächsten. Hast du verstanden, Elf?«
Ruairidh gab sich unbeeindruckt, auch wenn er gehörig Respekt vor dem blonden Hünen empfand. »Du kannst mich nicht festhalten. Vor allem dann nicht, wenn ich für meine Freistellung bezahle.«
»Bezahlen?« Hjölnir lachte. »Womit denn?«
Ruairidh zog die
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