Schattenlord 7 - Das blaue Mal
Jahre oder mehr benötigen, um die Stadt auch nur ansatzweise zu dem werden lassen, was wir uns erhofften.«
»Wir haben dieses Thema oft genug durchgekaut, Schwarzseherin. Man wird in ganz Innistìr spüren, was hier vor sich geht. Bald werden weitere Siedler eintreffen und uns helfen.«
» Bald ist ein relativer Begriff ...«
Shire mochte ihre Begleiterin nicht sonderlich. Sie gab sich stets mürrisch und misstrauisch. Kein Wunder, denn Arachie Larma wusste ganz genau den Zeitpunkt ihres Todes wie auch den aller Mitreisenden. Die Schwarzseherin hielt diese Informationen tunlichst zurück; dennoch sorgte ihre Anwesenheit stets für Unruhe in der Gruppe.
Aber sie würde ein wichtiger Teil im Gefüge der Stadt Dar Anuin werden. Shire wusste es. Diese Eingebung begleitete sie bereits seit ihrer frühesten Jugend.
»Was, wenn der Vulkan wieder ausbricht?«, fragte Genevrie, die Bäuerin. »Mateysköll ist bekannt für seine Unberechenbarkeit. Denkt daran, was man uns gesagt hat ...«
»Wir werden Mateysköll im Zaum halten. Mach dir darüber keine Sorgen.« Shire trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Sie hatte diese Fragen und Zweifel satt, so satt ...
Abelae legte seine Pranke auf ihre Schulter, um sie zu beruhigen - und wie immer gelang es ihm. »Für dich ist dies alles leicht und unser Weg vorgezeichnet, Shire. Du musst akzeptieren lernen, dass andere, die nicht dasselbe wie du fühlen, ihre Vorbehalte äußern.«
»Du hast ja recht.« Sie wandte sich ihren Begleitern zu, diesen Männern und Frauen, ausnahmslos Mitglieder des elfischen Hochadels, die aus gewohnten Bahnen ausbrechen und Dar Anuin zu einem Hort des Wissens und der Kontemplation machen wollten. Sie waren ihr gefolgt, auf einige schöne Worte hin. Und nun, da es so aussah, als hätten sie ihr Ziel erreicht, zögerten sie. Der Vulkankrater entsprach ganz und gar nicht dem Bild, das sie sich in ihren Träumen ausgemalt hatten.
»Ich garantiere euch, dass wir innerhalb von fünfhundert Tages- und Nachtwechseln das Land im Inneren Mateyskölls urbar gemacht und ausgezeichnete Lebensbedingungen für seine Bewohner geschaffen haben. Es braucht bloß ein wenig Mut und Vertrauen.«
Acht Augenpaare musterten sie. Der Poet, der Arzt, die Bäuerin und die Forscherin, die Frau des Wissens und alle anderen sogenannten Göttlichen, die sie eines Tages für die Bewohner Dar Anuins sein würden, waren noch längst nicht überzeugt. Es bedurfte viel Arbeit, um die neun zu einer Einheit zu verschmelzen.
»Erholen wir uns«, sagte Shire und breitete ihr Schlaftuch auf dem Boden aus. Sie konzentrierte sich und erzeugte für sie allesamt die Illusion, auf gut gepolsterten Betten zu ruhen. Augenblicklich entspannten sich ihre Begleiter.
Abelae zog einen Laib Brot aus jenem Riesensack, der die Form eines gekrümmten Horns hatte, den er meist geschultert trug und der nach wie vor gut gefüllt war. Er brach das Brot und reichte jedem von ihnen ein etwa gleich großes Stück. Es hatte einen salzigen Geschmack und war so warm, als hätte es der Soldat eben erst aus dem Backofen geholt.
Sie aßen in aller Stille, und nachdem sie ihr Mahl beendet hatten, legten sie sich zur Ruhe. Shire blickte in den grauen Himmel. Das Rauschen des Flusses war gut zu vernehmen, und wenn sie aufpasste, konnte sie die träge dahinfließende Glut unter ihrem Leib spüren. Das Feuer war ungeduldig und wollte ausbrechen. Doch es wurde von Zaubern gebannt, deren Erzeuger längst versteinert waren oder sich mit der Hitze vereint hatten, um nun im Untergrund dahinzutreiben, ohne jemals ans Tageslicht zu dringen. Sie waren merkwürdige Gesellen gewesen, die Elfen früherer Generationen.
Hatten sie das Feuer gebannt, weil sie gewusst hatten, dass sie, Shire, eines Tages kommen und die Stadt Dar Anuin errichten würde?
Es war ein interessanter und ein schöner Gedanke, mit dem sie einschlief.
3
Stadtgespräche
E rzähl mir mehr über Dar Anuin«, bat Zoe Lirla.
Die Syndicatin, die sich an diesem Tag kumpelhaft gab und bemerkenswert guter Laune war, nickte. »Wir haben bereits ausführlich über die Gründung der Stadt gesprochen, ebenso über die Elfen des Hochadels, die hierher gezogen sind. Du weißt, dass sie dazumal eine Vision vor Augen hatten. Dass sie in einem Land, in dem Wunder als selbstverständlich galten, etwas Außergewöhnliches schaffen wollten.«
Zoe tunkte das Stück Stoff, das sie während der letzten beiden Tage stets bei sich getragen hatte, neuerlich
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