Schattenlord 7 - Das blaue Mal
wollen bloß das Beste für Dar Anuins Bevölkerung.«
Die Befragung nahm ihren Verlauf. Je länger sie andauerte, desto sicherer kamen Zoes Antworten. Sie hatte sich erschöpfend auf diesen Moment vorbereitet. Lirla hatte sie präzise instruiert, was Maletorrex zu hören wünschte. Zoe nahm die Rolle der Regentin ein und wurde zu ihr. Sie dachte und fühlte und redete wie sie. Oder so, wie es die Priesterschaft von der Regentin einforderte.
Irgendwann endete die Überprüfung ihres Wissens. Maletorrex wälzte sich wieder auf seine Liege, laut stöhnend und ächzend. »Genug!«, rief er. »Du hast deine Lektionen gelernt. Lirla hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Wieder einmal.« Er winkte der Syndicatin, die sich im Hintergrund des abgedunkelten Raums aufhielt, beiläufig zu. »Du hast einen Wunsch frei. Wie immer.«
Lirla trat einen Schritt vor. »Danke, Hoher Priester. Mein Wunsch ist derselbe geblieben.«
»Dann nimm dir, was dir zusteht. Und sieh zu, dass dein Zögling weiterhin gut lernt. Treib ihm jegliches Zögern aus. Und die Unverschämtheiten, die er anklingen ließ. Selbst der Gedanke, dass sie einen eigenen Willen besitzen könnte, ist obszön und kontraproduktiv.« Maletorrex wandte sich wieder Zoe zu. »Es dauert mich, dass ich dein Wesen nicht zur Gänze vernichten lassen kann. Alles wäre so viel einfacher ... Aber das Volk würde es bemerken. Die Elfen Dar Anuins lassen sich keine Gesandte vorsetzen, deren Geist gebrochen ist.« Er seufzte. »Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir wandeln müssen.«
Um die Macht über die Bewohner dieser Stadt beizubehalten. Um im Verborgenen zu herrschen.
»Und nun geh!«
Zoe verbeugte sich und trat zurück, den Blick zu Boden gesenkt, darauf achtend, dem Priester niemals den Rücken zuzukehren. Als sie das von zwei asketisch wirkenden Priestern bewachte Tor erreicht hatte, kam Teufel herangeflattert. Er hatte sich bislang im Gewirr der schweren Holzbalken des Dachfirsts verborgen gehalten. Er landete sachte - und schmiegte seinen Kopf eng an ihren Hals! Was hatte dieses Zeichen der Zutraulichkeit zu bedeuten?
»Warte!«
Zoe zuckte zusammen. Was wollte der Dicke noch von ihr? War dies ein besonders perfides Spiel, das er spielte, sollte sie erneut gedemütigt und bestraft werden, just in dem Augenblick, da sie geglaubt hatte, Maletorrex’ Gegenwart entkommen zu sein?
»Ja, Herr?«, gab sich Zoe demütig und trat einige Schritte zurück in den Saal.
»Das Blaue Mal ...«
»Was ist damit, Herr?«
»Du hast versucht, es zu entfernen?«
»Nein, Herr, ich ...«
»Lüg mich nicht an!«, brüllte Maletorrex.
Er tat eine Handbewegung, gut zehn Meter von ihr entfernt, und sie wurde von den Beinen gefegt, durch die Luft geschleudert wie ein welkes Blatt. Etwas berührte sie. Fand den Weg in ihr Inneres und zerfleischte ihre Eingeweide.
Teufel ließ ihre Schulter los und kreischte laut, Zoe prallte gegen eine Säule. Der Aufprall drückte ihr alle Luft aus den Lungen. Sie rutschte haltlos zu Boden und blieb dort liegen. Kraftlos, verzweifelt nach Atem ringend.
»Ich sehe die Zeichen!«, rief der Dicke. Er stapfte mit einem Bein auf, der Boden bebte. »Die Kratzspuren. Deine vergeblichen Versuche, die Narben mithilfe von Schminke abzudecken.«
Luft! Zoe röchelte. Sie spürte, wie ihre Lungen immer weiter einfielen, wie sie vergeblich versuchten, Sauerstoff anzusaugen. Das Etwas in ihr ließ sie seine Häme spüren.
Jemand klopfte ihr auf den Rücken, fest und regelmäßig wie ein Metronom. Derselbe Jemand - Lirla? - nahm sie auf, streckte ihren Oberkörper nach hinten durch und entspannte ihren Körper. Endlich, endlich ließ der Druck in ihrem Brustkorb nach, und sie schaffte es, einen ersten Atemzug zu nehmen, süße, süße Luft, wichtiger als alles andere auf der Welt ...
Sie fühlte sich aufrecht auf die Beine gestellt und losgelassen. Zoe torkelte, schaffte es, auf den Beinen zu bleiben. Trotz der weißen Pünktchen vor ihren Augen, trotz des Brechreizes.
»Betrachte dies als weitere Warnung«, sagte Maletorrex. Der Dicke hatte sich längst wieder niedergelassen. Er tunkte die Finger seiner Rechten erneut in das mit pastöser Flüssigkeit gefüllte Behältnis.
»Ja, Herr.«
»Du bist bemerkenswert schnell wieder auf den Beinen. Oh, es wäre wahrlich eine Verschwendung, dich zu töten. Unsere Agenten haben mit dir einen ausgezeichneten Fang gemacht. Und nun geh endlich!«
Zoe murmelte noch mehr Höflichkeitsfloskeln, die Lirla ihr beigebracht
Weitere Kostenlose Bücher