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Schattenlord 7 - Das blaue Mal

Titel: Schattenlord 7 - Das blaue Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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lag bedrückend eng an. Ihr blieben bloß eine schmale Mundklappe und zwei winzige Nasenlöcher, die in das filigrane Kunstwerkstück geschnitten waren, um Atem zu schöpfen.
    »Haltung bewahren, meine Kleine!«, sagte Lirla streng. »Vergiss nicht, dass du unter Maletorrex’ Beobachtung stehst. Verlier jetzt bloß nicht die Contenance, sonst könnte er auf die Idee kommen, dich erneut mit einem Efrain zu belegen.«
    Zoe blinzelte Tränen weg. Tränen des Zorns, aber auch der Verzweiflung. Immer wenn sie glaubte, dass es nicht mehr schlimmer kommen konnte, taten sich neue Abgründe auf. Lirla und der Hohepriester hatten wohl ihren Spaß daran, sie zu quälen.
    Sie konnte kaum noch etwas sehen, Salz verklebte die Augen. Selbst Teufel schien Mitleid zu empfinden. Er gurrte leise und knabberte zärtlich an ihrem Ohr.
    Aramie war heran. Sie löste die Schnürung der Korsage ein wenig, um Zoe den drohenden Husten- und Erstickungsanfall zu ersparen. Ihre Blicke drückten Bedauern und Mitleid aus - und dennoch konnte Zoe nicht anders, als die Dienerin in diesen Momenten zu hassen. Warum hatte sie sie nicht vor ihrem Schicksal gewarnt und auf die Maske vorbereitet?
    Der vierte Gong. Es war so weit.
    »Geh jetzt!«, herrschte Lirla sie an.
    Zoe setzte sich in Bewegung. Zwei Dienerinnen zogen die reich verzierten Vorhänge beiseite. Gemessenen Schritts bewegte sie sich auf die wartenden Honoratioren zu.
    Man murmelte. Vereinzelt brach man in »Hoch!«-Rufe aus, einige Elfen beugten das Knie vor ihr.
    »Parwean d’Haag!«, sagte Zoe mit gepresster Stimme und ging auf den prominenten Angehörigen des Hochadels zu. »Es freut mich, dir wieder einmal bei einem offiziellen Anlass zu begegnen.«
    »Die Freude ist ganz meinerseits.« Ihr Gegenüber deutete eine schlampige Verbeugung an. »Allerdings bin nicht ich es, der sich rarmacht.«
    »Ich habe meine Verpflichtungen, Hochedler. Auch und vor allem den Angehörigen des Palastes gegenüber.«
    »Und den Priestern gegenüber, nicht wahr?«
    Zoe trat ganz nahe an Parwean d’Haag heran. »Hüte deine Zunge«, sagte sie mit der notwendigen Schärfe in der Stimme. »Die Priester tun kund, was ich von den Bewohnern Dar Anuins verlange. Sie sind meine Ratgeber, mein Sprachrohr, meine engsten Mitarbeiter. Wer sie kritisiert, kritisiert auch mich.«
    »Dann entschuldige meinen Fehltritt, Gesandte. Wie du so trefflich bemerkt hast, komme auch ich nur selten unters Volk. Ich scheine einiges über gesellschaftliche Konventionen verlernt zu haben.«
    »Entschuldigung angenommen«, sagte Zoe und lächelte. Zu spät fiel ihr ein, dass man dies hinter der Maske nicht sehen konnte. »Aber nur, wenn du während des Zeremoniells an meiner Seite bleibst.«
    Damit überraschte sie den Hochedlen wirklich. Parwean d’Haag hatte sich auf ein Rededuell mit ihr eingestellt. Doch mit einer derartigen Einladung hatte er gewiss nicht gerechnet. Mit dieser Geste stellte sie ihr unbedingtes Vertrauen in den Mann offen zur Schau. Mit einem Mann, der zu jener überschaubaren Gruppe von Kritikern gehörte, die öffentlich die überhandnehmende Präsenz der Priester kritisierten, dabei aber nur die Vergrößerung des eigenen Machtbereichs im Auge hatten.
    »Gern«, murmelte der Hochedle. Er bot ihr galant seinen Arm an und zog ihn unsicher wieder zurück. Das Kissen, das sie trug, verbot jegliche Berührung. Andernfalls wären die wertvollen Ehrengaben in Gefahr geraten, zu Boden zu plumpsen. Dem abergläubischen Volk Dar Anuins wäre ein derartiger Fauxpas wie eine Katastrophe im Ausmaß des Stadtuntergangs vorgekommen.
    »Dein Vetter Ruice Sentelainne verfolgt mich mit seinen Blicken«, flüsterte sie ihrem Begleiter zu, während sie gemessenen Schritts an den anderen Hochadligen vorbeiflanierte. »Er ist schamlos.«
    »Du kennst seine besondere Gabe, Gesandte. Als Fern-Seher ist er in der Lage, geringste Details wahrzunehmen und in seinem untrüglichen Gedächtnis abzuspeichern.«
    »Es ist keine Gabe, sondern ein Fluch«, widersprach Zoe, so, wie Lirla es ihr eingetrichtert hatte. »Er dauert mich. Er kann nichts vergessen. Niemals. Stets vergleicht er, stets sucht er Ähnlichkeiten oder Unterschiede. Was muss das bloß für ein Leben sein, das Sentelainne führt?«
    Parwean d’Haag schwieg. Er war sichtlich beeindruckt von ihr. Zoe war in ihrer Rolle als Regentin auf ihn, einen der ausgewiesensten Kritiker, zugegangen, um sich anschließend bedauernd über einen weiteren Zweifler zu äußern. Ihr Verhalten

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