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Schattenlord 7 - Das blaue Mal

Titel: Schattenlord 7 - Das blaue Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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behalten? Du weißt, wie das Ritual durchzuführen ist?«
    Wiederum bestätigte Zoe. Sie war es gewohnt, Schrittfolgen auswendig zu lernen. Die Gesten, das Gehabe, der ganze Habitus. Sie wusste um die Kraft, die in einer einzigen Fingerbewegung steckte, wenn man sie zur richtigen Gelegenheit einsetzte.
    Sie lugte durch den Spalt der schweren Vorhangtücher nach draußen. Ins Vestibül, in dem mehrere Würdenträger Dar Anuins warteten. Zoe kannte sie allesamt dem Namen nach. Lirla hatte sie anhand von gemalten Porträtbildern, die so plastisch wie Fotografien wirkten, auf das Zusammentreffen mit den Elfen des hiesigen Hochadels vorbereitet.
    »Es sind alle gekommen«, flüsterte Lirla. Sie schob zwei Finger unter Teufels Krallen, nahm ihn auf und platzierte ihn auf Zoes linker Schulter. Die Eule gab sich nervös. Sie mochte Lirla nicht sonderlich. »Achte insbesondere auf Parwean d’Haag und sieh zu, dass er niemals die Gelegenheit bekommt, dich eingehender in Augenschein zu nehmen. Verwirre ihn. Nimm ihn für dich ein. So sehr, dass er sein Vorhaben vergisst, dich zu überprüfen. Er ist seit geraumer Zeit misstrauisch und ein aufmerksamer Beobachter. Du kennst die Bewegungsabläufe des Rituals noch längst nicht so gut wie deine Vorgängerin. Er könnte dich durchschauen, wie auch Ruice Sentelainne, der Fern-Seher aus dem Geschlecht der Charistmenas.«
    »Ich weiß.« Lirla hatte ihr diese Namen oft genug eingebläut wie auch die eines guten Dutzends anderer Elfen. Sie alle stammten von alteingesessenen Familien ab und standen der Priesterschaft misstrauisch gegenüber. Natürlich hingen sie am Geldtropf von Maletorrex und Konsorten. Doch sie würden jede sich bietende Gelegenheit ergreifen, um mehr Macht zu erlangen.
    Oder? War es bloß das, was Lirla ihr einzureden versuchte? Sollte sie misstrauisch bleiben und eine gesunde Paranoia entwickeln, sodass sie allmählich so zu denken begann, wie die Priesterschaft es von ihr verlangte?
    Zoe atmete tief durch - und bereute es gleich darauf zutiefst. Das Mieder saß wirklich viel zu eng.
    Ein Gong ertönte im Freien. Augenblicklich endeten alle Gespräche im Vestibül. Neugierig starrte man in die Richtung des Vorhangs. Zoe zog ihre Nase gerade noch rechtzeitig zurück.
    Man wird sofort erkennen, dass ich meiner Vorgängerin nur marginal ähnele, dachte sie und wusste nicht, ob sie sich über die Aufdeckung ihrer wahren Identität freuen oder davor fürchten sollte.
    Das Porträt jenes bemitleidenswerten Wesens, das man ihr gezeigt und das die Rolle der Gesandten vor ihr gespielt hatte, stellte eine viel zu schlanke und viel zu blasse Frau dar. Ihre Blicke waren stumpf, die Mundwinkel von tiefen Falten umgeben.
    Der Gong ertönte ein zweites Mal. Lirla drückte ihr ein Kissen in die Hand. Darauf ruhten mehrere Getreideähren, sorgfältig zurechtgelegt. Dazu eine kartoffelähnliche Wurzelfrucht und ein Ledersack, in dem ein leicht alkoholisches Getränk schwappte. Es war der Tag der Reife. Von der Gesandten wurde eine kurze Ansprache an das Volk Dar Anuins erwartet, bevor Aufzucht und Ernte der Bodenfrüchte begannen. Das Prozedere würde nicht mehr als zehn Tage in Anspruch nehmen. Die dafür zuständigen Elfen würden Sprüchlein murmeln und, unterstützt von einigen Helfern, das rasche Wachstum und die Geschmacksüberarbeitung besorgen. Einige Wesen, die nicht dem Geschlecht der Elfen zuzuordnen waren, würden die Ernte einbringen und die Nahrungsmittelvorräte der Stadt gehörig aufstocken.
    Der dritte Gong. Zoe trat einen Schritt auf den Vorhang zu.
    »Moment noch!« Lirla hielt sie zurück, griff in eine kleine Schatulle und setzte ihr etwas vors Gesicht.
    »Was ist das?«
    »Was wohl?« Die Syndicatin lächelte. »Deine Gesichtsmaske. Ein weiteres Symbol deines Herrschaftsrechts.«
    Die Maske war warm, und sie schien zu vibrieren. Das Ding machte Zoe Angst. Sie wollte danach greifen und sie von sich ziehen, doch sie konnte nicht. Ihre Hände klebten förmlich am zeremoniellen Kissen fest. Ein fremder Einfluss hinderte sie daran, die Finger davon zu lösen.
    Lirla lächelte. »Keine Angst. Es tut nicht weh. Zumindest nicht auf Dauer ...«
    Die Maske glitt auf sie zu, immer näher. Verdeckte allmählich Zoes Gesicht, sosehr sie sich auch dagegen wehrte und den Kopf schüttelte, und nach nur wenigen Augenblicken war ihr Gesicht zur Gänze abgedeckt. Mit Ausnahme jenes kleinen Flecks an ihrer Stirn, auf dem das Blaue Mal prangte.
    Zoe schnappte nach Luft. Die Maske

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