Schattenlord 7 - Das blaue Mal
schamloses Benehmen das Maul zu zerreißen.
Das Weiße Haus war über in den Fels gehauene Gänge mit dem Palast verbunden, über hölzerne Wendeltreppen mit morschen Balken und über Wege, so schmal, dass man das Gefühl hatte, vom Fels erdrückt zu werden.
Das Weiße Haus diente seit jeher als Treffpunkt bei Festivitäten und inoffiziellen Anlässen, die die Gesandte in den Mittelpunkt stellten. Viele Angehörige des Hochadels hatten sich hier eingemietet, um sich bei den seltenen Gelegenheiten, da sie in Erscheinung trat, ein wenig im Ruhm der offiziellen Herrscherin von Dar Anuin zu sonnen.
So auch jetzt und hier. Parwean d’Haag, ein aufgeblasener Gockel, der sich alle paar Sekunden durchs Haar strich und seine Kleidung zurechtzupfte, würde in den nächsten Tagen jede Gelegenheit nutzen, um die Umstände seines Tête-à-Tête vor seinen Freunden und Bekannten genüsslich auszubreiten.
»Bitte.« Parwean deutete eine Verbeugung an und ließ ihr den Vortritt in einen kleinen Raum, dessen Wände in schwülstigem Rot gehalten waren und der von einem in kitschigen Farben beleuchteten Brünnlein beherrscht wurde.
Zoe ließ sich auf einem Sofa nieder. Teufel flatterte hoch und hockte sich auf eine Holzstange, die weit in den Raum ragte und scheinbar keinen Zweck hatte. Er blickte von oben herab. Beobachtend, womöglich auch vorwurfsvoll.
Die Couch bot nur einer Person Platz. Irritiert nahm Parwean ihr gegenüber Platz, auf einer wesentlich breiteren Sitzgelegenheit. Hatte er denn tatsächlich geglaubt, ihr nähertreten zu können? Er schwieg und starrte sie verwirrt an.
»Und wo, bitte schön, ist der Aspice?«, brach sie schließlich das Schweigen. »Du bist ein miserabler Gastgeber, Parwean! Oder verwirrt dich meine Gegenwart so sehr, dass du deine guten Manieren vergisst?«
Der Mann zuckte zusammen und zog ein finsteres Gesicht, bevor er aufstand, seinen Rock zurechtzupfte und sich an einem kleinen Kästchen zu schaffen machte. »Verzeih, Gesandte«, sagte er. Er zauberte ein Lächeln auf seine Lippen, während er ihr ein mit grüner Flüssigkeit halb gefülltes Glas reichte. »Du verwirrst mich in der Tat.«
Eitel ist er, selbstgefällig und eingebildet. Ich habe Bessere und Intelligentere als dich abgelehnt, mein Kleiner ...
Zoe wusste nicht, ob sie diese Minuten genießen oder sich ärgern sollte. Die Maske hatte mit aller Gewalt die Herrschaft über ihren Geist übernommen. Hatte sie Dinge sagen und tun lassen, die sie nicht wollte. Nun besaß sie wieder ausreichend Willensfreiheit, um eine Unterhaltung zu führen. Doch die Maske machte ihr die Richtung klar, in die das Gespräch gehen musste.
»Danke.« Zoe griff nach dem Glas und nippte vorsichtig am Aspice. Er hatte einen kräftigen, fruchtigen Geschmack und erinnerte ein wenig an Wermut. Die Elfen sagten ihm eine reinigende und Gedanken klärende Wirkung zu. Wobei die Wirkung bei einem Menschen durchaus eine völlig andere sein konnte ...
Parwean ließ sich auf der Lehne ihrer Couch nieder und überkreuzte die Beine. »Es muss einen Grund geben, dass die Gesandte, sonst für ihre Sittsamkeit und ihre guten Manieren bekannt, meiner Einladung folgt.«
Zoe nickte und stellte das Glas vor sich ab. »Oh ja, den gibt es. Du hast meine Aufmerksamkeit erregt, Hochedler.«
»Du schmeichelst mir, Gesandte.« Parweans Rechte pirschte sich langsam, aber unübersehbar an ihre Schulter heran.
»Du bist mir aufgefallen im Kreise deiner Freunde. Und es sind selbst im Palast, weitab von den Niederungen der Stadt, Gerüchte über deine Qualitäten im Umlauf.«
Parweans Grinsen wurde breiter und breiter. Die Gier in seinen Augen verriet nur allzu deutlich, was er sich von ihr erwartete.
Zoe rekelte sich. Ein wenig Staubflitter glitt aus der Schmuckkette. Seltsame, bedrohlich wirkende Bilder entstanden rings um sie.
Parwean schrak zurück, stand auf. Die Darstellungen irritierten ihn.
»Machen dir die Geister etwa Angst, Hochedler? Ich darf dir verraten, dass dieses Schutz-Boon bloß bei Wesen mit schlechten Absichten anspricht.«
Oh nein, es bedurfte keiner weiteren Einflussnahme durch die Maske, um in Zoe tief empfundenen Zorn zu wecken. Die Bilder machten all die Schlechtigkeit in diesem verzogenen, gedankenlosen Elfen greifbar. Sie zeigten ein Geschöpf, das sich ganz und gar dem Genuss und der Intrige hingegeben hatte, ohne jemals Verantwortungsgefühl entwickelt zu haben. Da war kein Mitleid, kein Gefühl für Barmherzigkeit, keinerlei moralische
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