Schattenlord 7 - Das blaue Mal
ihr löste, durch einen Schleier aus Tränen und Schweiß wahr. Der unförmige, hauchdünne Schleier tobte und wand sich. Er wollte nicht von ihr lassen und in sie zurückschlüpfen. Er sagte etwas, das bitterböse und uralt klang. Worte, die in dieser Zeit keine Entsprechung fanden und nicht übersetzt werden konnten. Teile des Gazeschleiers tasteten immer wieder nach Zoe, berührten sie da und dort, drangen mit feinsten Spitzen in ihr Fleisch ein und durchbohrten die darunter liegenden Organe.
Zoes erinnerte sich mit einem Mal. Sie wusste wieder, wo und was sie war. Ihr erster Gedanke galt der Goldenen. Ich hätte doch noch eine Dosis nehmen sollen ... Dann kehrte ihre Vernunft zurück. Sie sah, wie Lirla mit dem Efrain rang und ihn wie eine Puppenfigur an unsichtbaren Fäden endgültig aus ihrem Leib ziehen wollte.
Beruhige dich, altes Mädchen. Du weißt ja: Immer nur lächeln, auch wenn der Fotograf von dir verlangt, dass du mit nackten Füßen über Kohle tanzt. Und schlimmer als deine vorletzte Brötchengeberin, diese schaurige Irene Irgendwas, die dich tagelang auf dem Set gequält hat, ist dieses Geschöpf nun wirklich nicht.
Galgenhumor half. Mehr, als Zoe selbst für möglich gehalten hätte. Sie wusste wieder, wie es ging. Wie man Disziplin wahrte, auch wenn man am liebsten weinen wollte.
Allmählich beruhigte sie sich, und je entspannter sie dalag, desto weniger Zugang fand der Efrain zu ihr. Er tobte, während Lirla ihm mit ihren Händen immer näher kam und so tat, als würde sie ihn mit Fäden umgarnen. Der Geist verlor tatsächlich an Bewegungsfreiheit. Das Gazetuch wurde ruhig und ruhiger, bis die Syndicatin ihn in einen bereitgestellten Jutesack steckte, diesen kräftig verschnürte und das Behältnis in einem dunklen Winkel des Zimmers abstellte.
Zoe hob ihren Oberkörper. Sie wischte Schweiß, Tränen und Speichel ab und schob klebrige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie fühlte sich leer, im wahrsten Sinne des Wortes.
»Bewundernswert«, sagte Lirla und nickte anerkennend.
»Wie bitte?«
»Nicht jedermann kommt mit einer Efrain-Austreibung derart gut zurecht. Mir scheint, ich habe dich unterschätzt. Wieder einmal.«
»Es war schrecklich«, gestand Zoe. Ihre Kiefer schmerzten, als hätte man ihr alle vier Weisheitszähne zugleich gezogen.
»Aber du bist wieder bei dir. Es gibt andere Opfer eines Efrain, die ... Aber lassen wir das.« Lirla winkte ab und straffte ihren Körper. »Da du wieder einsatzbereit bist, werden wir uns so rasch wie möglich der Arbeit zuwenden. Die Vorbereitungen für das morgige Ritual beginnen, sobald ich mich frisch gemacht habe.«
Zoe erkannte erst jetzt die Spuren, die die Anstrengung in Lirlas Gesicht hinterlassen hatte. Die Haut wirkte welk und rissig, die Lippen waren aufgesprungen. Die Hände der Syndicatin zitterten. Der Kampf mit dem Efrain war auch ihr an die Substanz gegangen.
»Einverstanden.« Und leise fügte sie hinzu: »Danke.«
»Wofür? Ich tat es lediglich für mich. Andernfalls hätte Maletorrex mir all meine Privilegien genommen. Und jetzt ist Schluss mit dem Gerede! Die Arbeit wartet.« Lirla drehte sich um und verließ den Raum, nun wieder ganz sie selbst, ein stolzes und arrogantes Biest, von dem man nie wissen konnte, was man von ihm zu erwarten hatte.
Zoe wartete geduldig. Sie atmete flach und regelmäßig. Die Korsage, ein schmuckes Stück und mit Goldflitter besetzt, schnürte ihr die Luft ab. Aramie hatte es zu gut mit ihr gemeint.
Aber Zoe wusste, dass sie großartig aussah. Das weiße Kleid, ein Traum aus Seide, Brokat und in mühevoller Kleinarbeit gehäkelter Spitzen, bot gerade noch genug Bodenfreiheit, um die Stöckelschuhe, die jeden italienischen Schuhmacher vor Neid hätten erblassen lassen, zur Geltung zu bringen.
Darisiah, eine ihrer Leibdienerinnen, saß unweit von ihr in einer dunklen Ecke des Raums. Die Elfe wirkte konzentriert und blickte starr geradeaus. Zoe fühlte die Wirkung der Zauber, die sie wob. Sie verbargen kleinere körperliche Unzulänglichkeiten und ließen ihre Augen strahlen.
Man hatte ihr eine Kette aus schwarzen, geschliffenen Edelsteinen umgehängt, in die geheimnisvolle Muster eingeritzt worden waren. Bei jedem tiefen Atemzug glitten feinste Staubkörnchen aus den Gravuren und verteilten sich in der Luft. Sie erzeugten fröhliche und traurige Bilder. Solche, die zum Nachdenken anregten, oder andere, die Spannung erzeugten.
»Bist du bereit?«, fragte Lirla.
»Ja.«
»Du hast deinen Text
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