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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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er kann es nicht allein schaffen. Die Menschen werden Essen und Wasser brauchen. Und die Ärzte können die Verwundeten nicht allein vom Feld tragen. Eure Fragen müssen warten.«
    Flint nickte. Er warf Jamie einen letzten prüfenden Blick zu, dann rannte auch er los.
    Sehr schnell hatte sich die Armee in drei Gruppen geteilt. Diejenigen, die unverletzt oder nur leicht verletzt waren, halfen denen, die weniger Glück gehabt hatten. Sie brachten sie in die Feldlazarette, versorgten sie mit Wasser oder blieben einfach bei ihnen, um sie zu trösten. Die Toten blieben liegen, wo sie gefallen waren. Ihnen konnte niemand mehr helfen, und sie hatten zumindest das Glück, dass sie nicht mehr leiden mussten.
    Jamie hatte die Aufgabe übernommen, Flaschen mit Wasser aus einem Fass zu füllen, das auf einem Wagen in die Mitte des Feldes gebracht worden war, und diese dann zu den Männern und Frauen zu bringen, die sich nicht bewegen konnten. Der erste Mann, zu dem er kam, war höchstens achtzehn oder neunzehn, nur ein paar Jahre älter als er selbst, und es war eindeutig zu sehen, dass er nicht mehr lange leben würde. Seine Brust war aufgerissen, und er war sehr bleich. Trotzdem lächelte er, als er Jamie sah, und als Jamie ihm Wasser in den Mund träufelte, hielt der Mann seinen Arm und schien seinen Frieden gefunden zu haben. Es war fast, als hätte er sein Leben lang darauf gewartet, Jamie zu treffen, und als wäre er erst jetzt bereit zu sterben.
    Dasselbe geschah wieder und wieder. Jamie beobachtete, wie Matt zwischen den Verwundeten herumging, hier eine Hand hielt und dort niederkniete, um jemandem Wasser zu geben. Jeder auf dem Feld schien zu wissen, wer sie waren – was merkwürdig war, weil Jamie selbst es nicht wusste. Er kehrte zurück zum Wasserfass und wünschte, der Tag wäre endlich vorüber, damit sie sich hinsetzen und reden konnten.
    Bei seiner nächsten Runde stieß er auf Finn und Scar.
    Inzwischen erkannte Jamie auf den ersten Blick, wer leben und später von diesem Tag erzählen würde und wer nicht. Ihm war sofort klar, dass Finn starb. Der große Mann lehnte mit ausgestreckten Beinen an einem Baumstumpf. Scar kniete neben ihm, und auch Inti war bei ihnen. Corian und Erin standen in der Nähe und beobachteten ihren Freund voller Sorge. Jamie war froh, dass keiner der beiden verletzt war.
    Inti hatte vorgebeugt dagestanden und seine Hände auf Finns Schultern gehabt, doch dann richtete er sich auf und teilte Scar mit einem kurzen Blick mit, dass er nichts mehr für Finn tun konnte. Jamie konnte sehen, wieso. Auch wenn Inti wirklich Heilerkräfte hatte, war er bei Finn einfach zu spät gekommen. Er hatte eine furchtbare Wunde an der Schulter und sehr viel Blut verloren. Sein Ende war nahe.
    Finn sah Jamie und schaffte es, die Finger einer Hand zu beugen, um ihn heranzurufen. Jamie zeigte ihm die Wasserflasche, doch Finn schüttelte den Kopf. Er hatte nicht mehr die Kraft zum Schlucken. Und er hatte auch nicht die Absicht, das bisschen Leben, das ihm noch blieb, unnütz zu verlängern. »Sapling!«, keuchte er.
    Scar drehte sich um und merkte erst jetzt, dass er gekommen war. Sie hatte Tränen in den Augen.
    »Du warst gut.« Finn hustete, und auf seinen Lippen erschienen kleine Blutstropfen. »Ich wusste es. Hab ich es nicht gleich gesagt?«
    Jamie nickte, doch er brachte keinen Ton heraus.
    »Finn…«, begann Scar.
    Finn legte seine gesunde Hand auf ihre Hände. »Du sollst nicht weinen, Scar«, flüsterte er. »Das habe ich dir schon gesagt. Heute ist ein Tag der Freude.«
    »Was soll ich ohne dich anfangen?«, rief Scar verzweifelt.
    »Sei nicht albern. Du hast deine Freunde. Die Fünf…« Finn tätschelte ihre Hand. Das war alles, was er noch schaffte. »Aber wir haben so einige Abenteuer erlebt, du und ich. Die Leute werden sich daran erinnern und vielleicht eines Tages darüber reden.«
    »Oh Finn…« Scar konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
    »Du wirst jetzt allein durchs Leben gehen müssen. Aber du brauchst mich nicht mehr. Ich bin auch nicht sicher, ob du mich je gebraucht hast.« Finn hob die Hand und strich ihr zum letzten Mal sanft übers Haar. »Wir haben gesiegt«, sagte er. »Das ist das Einzige, was zählt.« Mit einem Blick der Verehrung sah Finn ihr in die Augen. Dann kippte sein Kopf zur Seite, und Jamie wusste, dass er nie wieder etwas sagen würde.
    Jamie hielt es nicht mehr aus. Er schnappte sich die Wasserflasche und hastete davon.
    Irgendwann neigte sich der Tag dem

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